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Anfang Dezember 1905.
Schutztruppe und Polizeitruppe.
Togo hat eine Polizeitruppe, im ganzen ungefähr 400 Mann starkj; Kamerun verfügt über eine Schutztruppe, in Stärke von etwa 1000 Mann und eine Polizeitruppe. Während meines Aufenthaltes in Togo war mir der Unterfchied zwischen beiden nicht recht klar geworden. Wohl aber hörte ich oft die Ansicht vertreten, daß der günstige Etat Togos hauptsächlich dem Fehlen der Schutztruppe zu verdanken fei, und daß Kamerun ebenfalls in seinem Budget bilanzieren würde, wenn die Schutztruppe fehlte, oder wenn wenigstens die durch sie erwachsenden Ausgaben vom Etat der Kolonie genommen und dem des Reiches aufgebürdet würden. Diese Behauptung scheint zuzutreffen. Der wesentliche Unterschied zwischen beiden liegt in den erheblichen Mehrkosten, welche die Schutztruppe infolge ihrer komplizierteren Organisation verursacht. Kamerun hat 9 Kompanien Schutztruppe, eine 10. wird demnächst gebildet werden. Abgesehen von dem Apparat des Kommandos hat jede einzelne Kompagnie 2—3 weiße Offiziere nebst einem Arzt und 3—4 weiße Unteroffiziere. Allein die Besoldung dieses europäischen Personales erfordert jährlich ungefähr eine Ausgabe von Millionen. Eine weitere halbe Million ist für die Löhnung der schwarzen Soldaten nötig. Demgegenüber unterstehen die einzelnen Abteilungen der Polizeitr uppe dem Leiter der betreffenden Station, sei er nun Offizier, Jurist, Landwirt oder von sonst einem Berufe. Ihre anfängliche Ausbildung weicht von derjenigen der Schutztruppe nicht ab; ihre Ueberwachung und ihr Exerzieren liegt dem Polizeimeister der Station, einem früheren, aktiven Unteroffizier ob, der auch im sonstigen Dienstbetriebe Verwendung findet. Der Unterschied in der Verwendung beider ist so gedacht, daß die Polizeitruppe der in ruhigen Bezirken eingerichteten Zivilverwaltung zur Ueberwachung der Ordnung zur Verfügung stehen soll, während die Schutztruppe auf die Militärstationen und auf die kriegerischen Expeditionen im Lande entfällt. In Wirklichkeit aber sind diese Grenzen vielfach verwischt, die Mannschaftsbestände beider werden nicht streng auseinander gehalten, sodaß zum Beispiel derselbe Mann, der in Jaunde Zivilverwaltung) Polizeisoldat ist, im Falle seiner Abkommandierung nach Lolodorf oder einer andern Militärstation die Rolle eines Schutztruppen- soldaten übernimmt und umgekehrt. So stehen gerade jetzt im Kameruner Südbezirke viele, alte, gefechtserfahrene Leute der Schutztruppe unter Befehl des in der Zivilverwaltung tätigen Hauptmanns Freiherrn v. St., also als Polizeisoldaten.
Ist nun eine Schutztruppe nötig, oder tut es eine Polizeitruppe auch? Ich maße mir als Laie in dieser Frage kein entscheidendes Urteil an. Aber das Beispiel Togos gibt zu denken. Dort hat ffch die Polizeitruppe glänzend bewährt, und zwar nicht nur während der jetzt herrschenden friedlichen Zustände, sondern auch bei den früheren Okkupationsgefechten, welche teilweise gegen Stämme geliefert werden mußten, die große Scharen kampfgeiibter Streiter ins Feld stellen konnten. Es ist gelungen, sie alle mit Hilfe der Polizeitruppe zu zügeln. Ich gehöre nicht zu denen, die in der schönen Illusion leben, man könne einem Naturvolke von vornherein durch Milde soweit imponieren, daß es uns aus lauter Achtung und Liebe dienstbar wird. Da der Schwarze Milde nur als Schwäche deutet, wird er durch sie geradezu zum Ungehorsam gereizt werden. Es ist deshalb auch falsch, von „Aufstand" bei solchen Völkern zu reden, die überhaupt noch nicht unterworfen wurden, wie z. B. viele Stämme Südkameruns, und die beim ersten, ernsten Zusammentreffen mit der neuen Herrschaft Widerstand leisten. Es sind nicht Gefechte gegen Aufständische, die hier geführt werden müssen, sondern die ersten, unvermeidlichen Okkupations-