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Straßenanbau, Stationsverwaltung, kartographische Aufnahmen, Grenzregulierung, Vermessungsarbeiten, Fragen der Eingeborenenkultur u. a. m. sind von ihnen in jeder Weise mit großem Eifer und Erfolg gefördert worden.
Am 6. November 1903.
, Seit der Abreise P's. bin ich wieder zum stellvertretenden Herrscher in Sebe bestimmt worden, sodaß ich neben meinen ärztlichen auch noch die bezirks- amtlichen Geschäfte bis auf weiteres zu verrichten habe. Leider werden es auch diesmal voraussichtlich nur einige Wochen sein, während deren ich mich dem Bezirke widmen kann, sodaß sichs nicht lohnt, größeren Plänen näher zu treten, und ich mich auf die Erledigung der laufenden Angelegenheiten beschränken muß. Aber auch sie bieten des Interessanten genug. Täglich morgens 9 Uhr wartet ein Segelboot aus Sebe am Lagunenufer auf mich, auf dem ich bei leidlichem Winde in 20 Minuten überfahren kann. Gegen 1 Uhr bringt es mich wieder nach Kleinpopo zurück. Ein Sekretär und ein Polizeimeister stehen mir als europäische Hilfskräfte zur Verfügung. Am Mittwoch und Sonnabend findet sogenannter „Palavertag" statt, an dem die Eingeborenen ihre manigfachen Anliegen dem Bezirksamt zur Entscheidung vorbringen. Leider muß ich mich bei den Verhandlungen immer noch eines Dolmetschers bedienen. Wenn ich auch die Evhesprache leidlich verstehe, genügen meine Kenntnisse zu einer selbst- ständigen Unterhaltung noch nicht. Diese Dolmetscherwirtschaft ist ein häßliches aber unvermeidliches Uebel. Obendrein weiß man nie recht, ob die schwarze Kraft zuverlässig ist. Ich möchte fast annehmen, daß die Parteien vielfach erst beim Dolmetscher Einkehr halten, und ihn durch Versprechungen oder Geschenke für sich zu bestimmen suchen.
Die Hauptstreitigkeiten, die sie zur Schlichtung anbringen, sind vornehmlich Weiber- und Diebstahlsangelegenheiten. Meist liegen die Verhältnisse übersichtlich, und der gesunde Menschenverstand wird auch ohne juristische Fachbildung genügen, sie richtig zu beurteilen. Oft besteht die Hauptkunst der Verhandlung in ihrer Abkürzung und darin, das prinzipielle Lügen des Schuldigen möglichst auszuschalten. Wie bei allen seinen Erzählungen, so neigt der Neger erst recht beim Lügen zu einer ausführlichen Breite. So frage ich zum Beispiel, wenn ein schwarzer etwa Kokosnüsse gestohlen hat oder sonst bei einem Mundraub ertappt wurde, gar nicht erst, ob er sich schuldig bekennt oder nicht, sondern sofort: wievielmal oder wieviel Stücke hast du gestohlen? Meist folgt darauf das Eingeständnis. Fragt man anders, so erfolgt regelmäßig zunächst ein langgezogenes, mit Kopfschütteln begleitetes: „Oh" (Nein), gefolgt von einer wohlüberlegten, langen Ausrede. Für kleinere Vergehen ist die Prügelstrafe für den Neger festgesetzt. Es kostet mich zwar in jedem Falle eine Ueberwindung, einem Schwarzen 25 Hiebe zuzudiktieren, aber da ich diese Art Strafe für den Neger nicht nur für berechtigt, sondern für völlig unentbehrlich halte, setze ich natürlich mein persönliches Empfinden hinter dieser Ueberzeugung zurück. Darf doch auch sonst das Gefühl den Verstand nicht ausschalten. Ich muß gestehen, daß ich im ersten Anfange meines Tropenaufenthaltes zu denen gehörte, die ohne jede körperliche Züchtigung mit den Schwarzen fertig zu werden hoffen. Die Berührung mit der rauhen Wirklichkeit ließ aber diesen schönen Traum gar bald zerrinnen.
Die übrigen zulässigen Strafen sind Zwangsarbeit, Kettenhaft und Todesstrafe. Alle Urteile über 6 Monate Freiheitsentziehung unterliegen der Bestätigung durchs Gouvernement. Oft genug kommen auch Kapitalverbrechen vors bezirksamtliche Forum, die eine schwere Bestrafung erheischen, und bei