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Blätter und Briefe eines Arztes aus dem tropischen Deutschafrika / von Ludwig Külz
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Dann bricht die Entrüstung los; eine geharnischte Beschwerde soll abgehen, und tut es bisweilen auch, allerdings schon in mildere Form gekleidet: bellende Hunde beißen nicht; er wird ausscheiden aus dem Kolonialdienst, und es wird ein unersetzlicher Verlust für das Land sein und er bleibt schließlich doch und fühlt sich behaglich und wohl, denn er ist ja ein alter Afrikaner. Er ist in allen Ständen zu finden, unter Kaufleuten, Beamten, Missionaren; und wenn erst mehr Frauen ihren Männern in die Tropen folgen können, so bin ich sicher, daß auch unter ihnen die alte Afrikanerin rasch erscheinen wird. Einige äußere Eigenschaften vervollkommnen das Bild. Da er nur für Afrika lebt, so dokumentiert er das unbeabsichtigt auch oft in seinem Aeußern, in Kleidung, Lebensweise und im Gebrauch drastischer Worte, deren Inhalt oft noch nach­haltig durch die Lautheit der Stimme verstärkt wird. So ungefähr istder alte Afrikaner", und manch einer ist dabei, der wirkliche Verdienste um die Kolonie hat. Und ich mag sie alle sehr gern leiden, denn sie sind im Grunde schrecklich harmlos, wenn man sie nur gewähren läßt und sie nicht reizt. Uebrigens möchte ich nicht etwa behaupten, daß jeder Europäer in der Kolonie über kurz oder lang zu einem alten Afrikaner wird. Meist ist er sich dessen selbst garnicht bewußt, denn nur allmählich bildet sich diese Mutation aus. Wer weiß, ob ich nicht später auch einmal dazu komme oder vielleicht gar schon angefangen habe, in diese Umwandlung unbemerkt einzutreten. Eine Eigen­schaft schätze ich jedenfalls an ihnen besonders hoch: ihren unbegrenzten Patrio­tismus für ihr Adoptivvaterland sowie ihre daraus entspringende Arbeits­freudigkeit für dasselbe. Trotz aller Kritik und äußerer Mißstimmung hat es ihnen ihre Kolonie angetan. Ihre psychische Akklimatisierung ist eine so voll­kommene, daß sie immer wieder hinausziehen insAffenland". Schon nach kurzen Jahren finden sie sich in Deutschland nicht mehr zurecht, und sind froh, wenn das Ende eines Urlaubes wieder naht und sie den Dampfer besteigen können, der sie dem alten Wirkungskreise wieder zuführt. Ich fand besonders bei den alten Südwestafrikanern, denen doch unter allen deutschen Kolonisten die härtesten Lebensbedingungen beschieden sind, diese Eigenschaften am stärksten ausgeprägt. Es war rührend anzuhören, mit welcher Anhänglichkeit und Be­geisterung sie von ihrem reizlosen Dasein erzählten.

Im allgemeinen macht mir das alte Asrikanertum den Eindruck einer leichten psychischen Tropenkrankheit. Jedenfalls ist es die leichteste aller Tropen­krankheiten und hat nur selten Neigung, bösartige Formen anzunehmen. Ihr Kardinalsymptom könnte man vielleicht präzisieren als eine leichte Verschiebung der normalen Urteilsgrenzen, als ein Aufquellen des eigenen Ichs.

Gefährlicher und mir unsympathischer ist der Antipode des alten Afrikaners, der auch anzutreffen ist, und dem ich den Gattungsnamen des Salonafrikaners geben möchte. Er schadet infolge seiner parasitären Natur unseren Kolonien in vieler Hinsicht. Dazu gehören alle die, welche hinausgehen, um einmal draußen gewesen zu sein, um später, sei es im Klub, sei es im Kasino, damit renommieren zu können, die einen raschen persönlichen Vorteil durch einen kurzen, afrikanischen Aufenthalt erzielen wollen, einen Schwerterorden, einen Titel oder dergleichen, die als Schaumschläger eine kurze Zeit in der Kolonie weilen, ohne sie in irgend einem Punkte auch nur einen Schritt weiter zu bringen.

Am 26. September 1906.

Durch ein Telegramm wurde ich vorgestern zu ein ein schwer erkrankten Kaufmann nach Lome gebeten. Dr. H., der Arzt Lomes, war seit einigen