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Blätter und Briefe eines Arztes aus dem tropischen Deutschafrika / von Ludwig Külz
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von der Regierung in Nachbnrkolonien mit ungefähr gleichen Entwicklungs- bedingnngen entsandt würden, aber nicht auf wenige Tage, sondern zu einem eingehenden, vergleichenden Studium. Bisher ist es noch wenig geschehen. Aber die Entscheidung aller großen kolonialen Fragen liegt ebensosehr in der Heimat, beim Reichstage, beim deutschen Volk. Also der Rat, von den Engländern zu lernen, sollte vor allem daheim befolgt werden. Die Lösnng aller kolonialen Probleme spielt sich auf zwei räumlich getrennten Gebieten ab: in der Kolonie selbst und ebenso in der deutschen Heimat. Die Arbeit in der Ferne bedarf des Verständnisses im Mutterlande. Ohne dieses letztere ist eine koloniale Entwicklung undenkbar. Hier kann allerdings das deutsche Volk noch unendlich viel vom englischen lernen. Ich meine mitVerständnis" nicht die wünschenswerte Sach­kenntnis des kleinen Häufleins von Beamten in der vorgesetzten Kolonialbehörde, sondern das Verständnis in den breiten Massen des Volkes, ein Verständnis, das die Ueberzeugung von der Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit unserer überseeischen Besitzungen gebiert. Nur diese Ueberzeugung kann den unerläßlichen Rückhalt an die Heimat geben, den die Kolonien in allen ihren ideellen und materiellen Ent­wicklungsbedürfnissen nötig haben. Es ist in den letzten Jahren besser geworden in dieser Beziehung, dank der rastlosen Bemühungen einer weitverzweigten kolonialen Vereinstätigkeit, deren Führer immer wieder von neuem darauf hinarbeiten, Interesse für das überseeische Deutschland zu erwecken. Aber der volle Erfolg bleibt noch von der Zukunft zu erhoffen, und die heimatliche Unkenntnis ist noch erschreckend groß. Es ist oft unglaublich, welche Aeußerungen und Vorschläge selbst in ein­flußreichen Preßorganen anzutreffen sind, nach welchem einseitigen, theoretischen, generalisierenden Gesichtspunkten Urteile gefällt, Reformen gefordert werden. In England geht der junge Mann jeglichen Standes hinaus in die überseeischen Besitzungen, um seinen Blick zu weiten und ein Verständnis zu gewinnen für die großen wirtschaftlichen und politischen Ziele seines Vaterlandes, des OreaterLritunvia; selbst Mitglieder des Herrscherhauses verschmähen diesen Weg nicht. In Deutsch­land gilt beinahe noch jeder, der sich dem Kolonialdienste widmet, als ein Phantast, ein Abenteurer oder einer, dein der heimatliche Boden unter den Füßen zu heiß wird. Welcher große Unterschied besteht weiterhin zwischen dem englischen Volk und dem deutschen in der Frage der pekuniären Förderung der Kolonien. Blicken wir auf die zähe Ausdauer, mit der die Engländer in Südafrika ihr Ziel ver­folgen und auf die Riesensummen, die sie ohne zu murren ihm opfern. Lehrgeld wird auch Deutschland in den Jugendjahren seiner Kolonialpolitik zahlen müssen, und wir sollten froh sein, daß es bisher so niedrig geblieben ist! Blicken wir vergleichsweise auf Indien, wie lausende von Menschenleben an Pest, Cholera und anderen Seuchen, ganze Flotten und ungezählte Millionen geopfert werden mußten; oder blicken wir auf das französische Algier, in das Frankreich seit etwa 1830 4'/g Milliarden Fr. hineingesteckt hat, und dem es jetzt noch jährlich 80 bis 90 Millionen Fr. vorschießt. Nun sehen wir auf unsere kümmerlichen kolonialen Aufwendungen! Ganze 12 Millionen schießt das Reich seinen Schutzgebieten vor, die eine Fläche viermal so groß als das Mutterland darstellen. Das ist daheim das Ausgabebudget einer einzigen größeren Stadt, das ist die Summe, die man etwa für die Regulierung eines einzigen Flußlaufes ausgibt. Hier sollen mit der gleichen Summe große Länderkomplexe erschlossen werden. Im Verein mit den eigenen, natürlich noch geringen Einnahmen der Schutzgebiete sollen davon Beamten­gehälter, Expeditionen, Verwaltungskosten, Häuser und Wegebauten und namentlich die Ausgaben fürs militärische Aufgebot bestricken werden. Letztere halten die übrigen Mächte von ihrem Kolonialetat fern!

Doch beruhigen wir uns in Togo bei dem Gedanken, daß unser Ländchen dem Mutterlande wenig Sorgen macht, das es sichrentiert". Freilich gibt es einzelne Kritiker, und ich gehöre selbst zu ihnen welche in dieser Rentabilität Togos einen Hemmschuh seiner Entwicklung erblicken. Warum? Es kommt schlecht