Ungarn. Sprachen- und Schulverhältnisse.
Stempelgebühr einen madjarischen Namen zulegen, nicht zugänglich waren. Ja man scheute sich nicht, Leute, von denen man voraussetzte, daß ihre Stimme nicht bis in die Oeffentlicht'eit dringen würde und die voraussichtlich die Sorge um die Erhaltung ihres Hausstandes schweigen hieß, mit Dienstentlassung zu bedrohen, wenn sie als „ungarische" Beamte nicht einen „ungarischen" Namen in Empfang nähmen, der ihnen fix und fertig vorgelegt wurde. Also nicht nur ausgesprochenes Strebertum macht Bruchteile der deutschungarischen Bevölkerung direkt der Madjarisierung dienstbar, sondern auch die bittere Not des Alltags und nicht zuletzt die mangelhafte Bildung und die Unwissenheit.
In der Tat fehlt es unter den Deutschen Ungarns, besonders unter der Bauernbevölkerung, vielfach nur an der nötigen Aufklärung über die Bedeutung, auch über den praktischen Wert des eigenen deutschen Volkstums. Aber in dieser Richtung geschieht in letzter Zeit mehr, unverhältnismäßig mehr als früher. Die Presse muß da vielfach die Schule ersetzen, weil die Bauern sich in nur zu zahlreichen Fällen übertölpeln ließen, deutsche Gemeindeschulen dem Staate auszuliefern, nachdem man ihnen nahegelegt, welch eine große materielle Erleichterung das für sie bedeute. So mußten sie dann zusehen, wie die deutsche Sprache aus der Schule, von der sie in fo entgegenkommender Weise befreit wurden, schrittweise hiuausgedrängt wurde, bis diese umgestaltete Schule zur richtigen „Madjarenfabrik" ward. Das heißt: Madjaren kommen aus diesen Dorfschulen doch nicht heraus, sonst hätte unmöglich auch die letzte Volkszählung (von 1900) eine merkliche Zunahme des Deutschtums (gegen die Volkszählung von 1890) aufweisen können, denn das Leben erweist sich auch hier stärker, als die Schule, besonders wenn sie auf eine so falsche Basis gestellt ist: der Bauer in Süd- oder Westungarn, der doch in geschlossenen großen deutschen Sprachinseln lebt/) braucht eben das Madjarische im Alltagsleben fast gar nicht, und so fallen die paar madjarischen Brocken, die man ihm in der Schule aufgedrängt hat, gar bald von ihm ab. Der Uebelstand ist nur der: auf die Aneignung dieses unverstandenen Krams — zu einem Eindringen in das Verständnis der ihm völlig fremden Sprache kommt es ja gar nicht? — ist die beste Schulzeit unnütz vergeudet worden, und es blieb keine Zeit zur Aneignung wirklich notwendigen Wissensstoffes.^)
Vgl. die Karte über die Verteilung der Banater Schwaben in Dtsch. Erde II, Heft 5, Perthes, Gotha, und die ebenda erschienenen Karten „Verbreitung des Deutschtums in den Ländern der ungarischen Krone" und „Deutsche Kolonisation im Osten, I. Donauländer", In die Kenntnis der Nationalitätensrage Ungarns führt zuverlässig ein die Schrift von !)>'. F. Guntram Schultheiß, „Deutschtum und Madjarisierung in Ungarn", München. I. F. Lehmann, 189di. In knapper Form bietet der Verfasser, der das Land aus eigner Anschauung kennt, erstaunlich viel Wissenswertes; die für den bezeichneten Gegenstand klassisch zu nennende Schrift ist auch als Nachschlagebuch vorzüglich zu gebrauchen.
-) Der offizielle Entwurf des Schulgesetzes vom Jahre 1904, vorgelegt vom damaligen Unterrichtsminister v. Lukacs, ist zwar vorläufig Entwurf geblieben, aber einzelne Teile sind unter dem Minister Fejervary bereits gegen alles Recht auf dem Verordnungswege in Kraft gesetzt worden Das Gesetz sucht alle, auch die nichtstaatlichen Schulen in Madjarisieruugs-Anstalten zu verwandeln und in den sogenannten konfessionellen Schulen, wie sie besonders in Siebenbürgen bestehen, die Oberleitung der deutsch-evangelischen .Kirchenbehörden zu beschränken oder ganz zu beseitigen.
Dem madjarischen Sprachunterrichte werden in den Schulen mit nichtmadjarischer Unterrichtssprache alle andern Lehrgegenstände untergeordnet. „Mindestens die Hälfte" der für den Unterricht im Lesen und Schreiben festgesetzten Stunden soll dem madjarischen Lesen und Schreiben zugewendet werden. Das Lehrziel wird im K 14 dahin festgestellt, daß das Kind nichtmadjarischer Muttersprache in einem sechsjährigen Lehrkurse die madjarrsche Sprache sich in dem Mape aneignen müsse, daß es, seinen Lebensverhältnisseu entsprechend, seine Gedanken rein und präzise madjarisch ausdrücken, ferner daß es mad- larlsch fließend lesen, richtig schreiben und rechnen könne. Daß eine derartige Beherrschung einer fremden Sprache einem Kinde in der Volksschule innerhalb sechs Jahren nicht beigebracht werden kann, ist klar. Wenn diese Forderung gleichwohl in den Entwurf aufgenommen lst, so müssen dafür andere Absichten maßgebend gewesen sein. Welcher Art