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Handbuch des Deutschtums im Auslande : nebst einem Adressbuch der deutschen Auslandsschulen / hrsg. vom Allgemeinen Deutschen Schulverein zur Erhaltung des Deutschtums im Auslande
Entstehung
Seite
13
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Verschiebungen längs der Sprachgrenze.

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Es entsteht nun die Frage, wie sich die deutschen Minderheiten dein tschechischen Ansturm gegenüber behaupten, wie sich die deutschen Minderheiten der tschechischen Einwanderung erwehrt haben. Wir müssen dabei von der Tat­sache ausgehen, daß der Wanderzug ganz überwiegend von dem tschechischen in das deutsche Sprachgebiet gerichtet ist. In den überwiegend deutschen Bezirken Böhmens weilten 1890 217 925 Personen, die im überwiegend tschechischen Gebiete geboren waren, im tschechischen Gebiete aber nur 72 508 Personen aus dem deutschen Sprachgebiete, so daß die tschechische Mehreinwanderung ins deutsche Gebiet 145 4t7 beträgt. Die tschechischen Minderheiten werden also durch den Zuzug fortwährend verstärkt, an vielen Orten entstehen neue tschechische Anhäufungen, während die deutschen Minderheiten derartige Nachschübe entbehren müssen. Dazu noch die außerordentliche nationale Rührigkeit der Tschechen, die ihre Minderheiten durch Organisation zusammenzuschließen, durch Unterstützung aus dem geschlossenen Sprachgebiete zu kräftigen verstehen. In der Tat erhellte aus den Verhältniszahlen der Uebersicht 6, daß, die Stufe I ausgenommen, die tschechischen Minderheiten im deutschen Sprachgebiete rasch anwachsen, wahrend die deutschen Minderheiten im tschechischen Sprachgebiete in besorgniserregender Weise zusammenschmelzen. Wenn gleichwohl das Zahlenverhältnis der Deutschen und der Tschechen für das Land im ganzen während der letzten drei Volks­zählungen unverändert geblieben ist, so erklärt sich das daraus, daß die örtlichen Erfolge der Tschechen ausgewogen worden sind durch den kräftigeren Aufschwung und durch die raschere Vermehrung der Volkszahl, welche die deutschen Landes­teile ihrem gewerblichen Aufschwung verdanken, während das tschechische Sprach­gebiet von dem Rückgange der landwirtschaftlichen Bevölkerung hart betroffen wird. Stehen so die Dinge im großen ganzen nicht gerade ungünstig für die Deutschen, so wird dadurch an der Tatsache nichts geändert, daß die deutschen Minderheiten immer ärger bedrängt werden und die Geschlossenheit des deutschen Sprachgebiets durch das Anschwellen der tschechischen Minderheiten und das Entstehen neuer derartiger Minderheiten bedroht wird.

V. Verschiebungen längs der Sprachgrenze.

Ein Blick auf die Sprachenkarte belehrt uns darüber, um wieviel zahl­reicher und kräftiger, der überwiegenden Richtung der Wanderbewegung ent­sprechend, die tschechischen Minderheiten im deutschen Sprachgebiete auftreten als die deutschen Minderheiten jenseits der Sprachgrenze. Die Verschiebungen, welche im Jahrzehnt 1891 1900 längs der Sprachgrenze eingetreten sind, lassen sich unschwer feststellen, indem man die Rauchbergsche und die Langhanssche Sprachenkarte miteinander vergleicht. Um über die wichtigsten, im letzten Jahr­zehnt eingetretenen Verschiebungen einen Ueberblick zu erlangen, stellen wir im Nachstehenden fest, wieviel Ortschaften, die 1890 noch rein deutsch oder rein tschechisch waren, seither gemischtsprachig geworden sind, und umgekehrt, wieviel von den 1890 als gemischtsprachig bezeichneten Ortschaften seither dadurch rein deutsch oder rein tschechisch geworden sind, daß die nationale Minderzahl zehn vom Hundert nicht mehr erreicht.

Gruppe

Anzahl der Ort­schaften

1890

1900

Deutsche

Tschechen

Deutsche

Tschechen

1- Ortschaften, die 1390 gemischt­sprachig waren, 13911900 aber rein deutsch wurden ....

2. Ortschaften, die 1390 noch rein deutsch waren, 13911900 aber gemischtsprachig wurden . . .

101 104

30 191 55 630

5 124 2 573

36 116

69 553

1 490 17 324