XXIV
Einleitung.
strömt, aus dem deutschen Geistesleben seine stärksten Zuflüsse erhält, uud daß darum die Verdrängung des Deutschtums aus ihren Grenzen und die Absperrung gegen deutsche Sprache und Bildung ungefähr das schlimmste ist, das sie selber sich antnn können.
Ich lebe überhaupt der Hoffnung, weun ich auch ihre Erfüllung zu erleben nicht erwarte, daß die europäischen Nationalitäten, die sich jetzt so sinnlos hassen, einmal wieder dahin kommen werden, innerhalb desselben politischen Gemeinwesens sich zu vertragen, ja ihr Nebeneinander als Bereicherung ihres Lebens zu empfiuden. Woraus beruht die große, das äußerliche Gewicht des kleinen Landes so weit übertreffende kulturelle Bedeutung der Schweiz? Doch darauf, daß hier Bruchteile von drei großen Kulturnationen zu einer innigeil, nicht bloß politischen Gemeinschaft zusammengeschlossen sind. Worauf beruht das mächtige Aufsteigen der nordamerikanischen Union? Ist dabei nicht auch der Umstand in Anschlag zu bringen, daß die hier entstandene neue Nation dem Blut und dem Geist nach einen Auszug aus der Gesamtheit der europäischen Kulturnattonen darstellt?
In Amerika sehlt es so wenig als in der Schweiz an der Einsicht in diese Verhältnisse. Die Tendenz zur Unterdrückung der „andern" Nationalitäten, die in andern Ländern zu rücksichtsloser Gewalttat oder zum Krieg aller gegen alle sührt, ist hier unbekannt. In Amerika wie in der Schweiz ist die Empfindung, daß die polyphone Kultur die kräftigere und reichere sei, weit verbreitet; sie tritt in der spontanen Neigung hervor, durch mehrsprachige Schulbilduug der Jugend soweit als möglich Anteil daran zu sichern, wie darauf Prof. A. Brandl kürzlich für Amerika hingewiesen hat.
Setzt sich in den Vereinigten Staaten ein „Uebervolk" im großen Stil durch, ein Volk, das alle Kräfte der alten Kulturnationen in neuer Zusammensetzung vereinigt, dem Zweisprachigkeit eigentlich selbstverständliche Forderung der Schulbildung ist: dann wird für unsere östlichen Nachbarvölker auch die Zeit kommen, wo sie auf die Bestrebungen ihrer deutschen Mitbürger, sich ihre deutsche Sprache und Bildung zu erhalten, mit andern Augen sehen werden als jetzt.
Bis diese glücklichen Tage anbrechen, hat der „Deutsche Schulverein" die große und schöne Aufgabe: die Reichsdeutschen zu mahnen und zu sammeln, ihre Pflicht gegen ihre Sprach- und Kulturgenossen im Auslande zu erfüllen, die Deutschen im Auslande zu ermutigen und zu unterstützen, daß sie nicht müde werden, ihr Deutschtum auch unter allerlei Drangsal und Kampf sich zu bewahren, endlich, wenn möglich, die andern Nationen zu überzeugen, daß diese Bestrebungen nicht aus feindlicher Gesinnung gegen sie hervorgehen und nicht eine Gefahr für sie enthalten, sondern der Erhaltung höchster Kulturgüter dienen wollen, die allen Völkern gemein sind, daß sie der großen Idee einer Völkergemeinschaft vorarbeiten wollen, die von dem deutschen Volk eben, um seiner eigentümlichen zentralen Stellung willen, doch wohl lebhafter erfaßt worden ist, als von den andern, strenger nationalisierten Völkern. Die größte Zeit deutschen Geistes, das ganze Zeitalter Kants und Herders, Goethes und Schillers lebt in dieser Idee.
In diesem Sinne wünschen und hoffen wir, daß ein Wort Schillers in dem zu Anfang erwähnten Entwurf zur Wahrheit wird: „Die deutsche Sprache, die alles ausdrückt, das Tiefste und das Flüchtigste, den Geist, die Seele, die voll