Dieter Bischop
Das Rad unter dem Brunnen
Ein für ein neues Großparkhaus vorgesehenes Grundstück mit einer Fläche knapp 2.140 m an der Ecke Faulenstraße/Neuenstraße ließ aufgrund intensiver Vor- und Nachkriegsbebauung kaum archäologische Hinterlassenschaften erwarten. Dennoch konnte die Landesarchäologie diverse Befunde zur Baugeschichte des im äußersten Westen der mittelalterlichen Stadt gelegenen Gebietes zu Tage fördern (Fdst. 221). Der Bereich Ecke Neuenstraße/Faulen- straße war bis zum Bombenhagel des Zweiten Weltkriegs mit Wohnhäusern der Gründerzeit bebaut und am Ende des Krieges vollständig zerstört. Danach ist das Gebiet von Parkflächen und einer Brennerei vereinnahmt worden. Der westliche Bereich der Baufläche war noch nicht so tiefgehend gestört, die südöstliche Zone jedoch so tiefgründig durch Nachkriegsfundamente ausgekoffert, dass dort unterirdisch keinerlei historische Substanz mehr vorhanden war (Abb. 1).
Spuren des Krieges
Die Bau begleitende archäologische Untersuchung erfasste von der Vorkriegsbebauung noch einige Fundamentreste, wobei besonders diejenigen der nordöstlichen Bebauung zeigten, wie wenig aufwändig die Gebäude errichtet worden waren: Mehrfach hatte man alte Sandsteinspolien, Tür- oder Fenstergewände der abgerissenen Vorbebauung im Fundamentmauerwerk verbaut. Diese möglicherweise noch im späteren 17., hauptsächlich aber wohl im 18. und 19. Jh. erbauten Häuser hatten darüber hinaus keine besonders große Standfestigkeit gehabt. Denn das teilweise über älteren, nur locker verfüllten Abfallschächten, Gruben, Brunnenschächten und Kloaken errichtete Mauerwerk war an eben diesen Stellen großflächig abgesackt.
Verglichen mit den starken Bombenzerstörungen des Zweiten Weltkriegs waren diese Bauschäden aber eher geringfügig. Nach dem Krieg verbreiterte man die Faulenstraße bzw. setzte die Front zurück, so dass die Straßenfrontlinie der Vorkriegshäuser nicht von der Baugrube des neuen Parkhauses betroffen wurde und noch heute unter dem Asphalt der neuen Faulenstraße liegt.
An verschiedenen Stellen des Grundstücks konnten schlichte, kleine, mit Sollinger Sandsteinplatten ausgelegte Kriegskeller freigelegt werden. Ein Keller im Norden der Fläche war vollgestellt mit Flaschen und Vorratsgefäßen (Abb. 2). Ein Dimion und diverse Steingutschalen sind ebenso zu Opfern der Bombennächte geworden wie verbrannte Bücher und Zeitungen, die teilweise noch lesbar waren.
Unter diesem Keller verbargen sich einige frühneuzeitliche und mittelalterliche Befunde des 12./13. bis 16. Jhs. Der eigentliche mittelalterliche Siedlungshorizont wurde hier jedoch durch die neuzeitliche Bebauung vollständig zerstört. Tief im anstehenden Dünensand zeichneten sich mehrere, meist uneinheitlich geformte Gruben ab, vermutlich schlichte Sandentnahmegruben.
Ansonsten waren nur noch weitere tiefgehende Befunde wie Abfall- und Fäkalien- gruben sowie Brunnen - offensichtlich immer im Hinterhofbereich oder im Garten der spätmittelalterlichen Wohnhäuser - anzutreffen. So diente eine Grube zur Entsorgung von zahlreichen Rinderknochen. Eine weitere Grube - anscheinend ein Fäkalienschacht im hinteren Grundstücksbereich - ist Ende des 16. Jhs. verfüllt worden (Bf. 9; Abb. 3). Einige Gefäße aus Keramik und Glas zeugen von einem hier ansässigen mittelständischen Haushalt.
In einem weiteren Schacht fanden sich mehrere vollständige Gefäße sowie das Fragment eines Raerener Steinzeugkruges. Dieses Gefäß besaß eine auf das Jahr 1578 datierte Reliefauflage. Zwei Putti, wovon einer noch einen Schlüssel in Händen hält, flankieren eine mit Rollwerk verzierte Kartusche, auf der ein weiterer Putto lässig seine Arme auflehnt (Abb. 4). Zu den in der Kloake entsorgten zerbrochenen Haushaltsgefäßen gehören ein Distelkrug aus Kölner oder Siegburger Produktion, ein grauer Steinzeugtopf, ein grünglasierter Irdenwareteller sowie ein helltoniges Schalengefäß auf gewelltem Standfuß.
Auch Reste von Trinkgläsern aus Waldglas lagen im Schacht, darunter ein nur im Oberteil
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