Die Bremer Papyri
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Die Texte.
Nr. i. Ein Bericht aus dem Judenkrieg.
P. 40 (Bibl.). — H. 15 cm. Br. 8 cm. — 1 Klebung. — Die Schrift (Recto, parallel der Paginabreite) ist eine aufrechte Cursive. Ringsherum freier Rand. Weder am linken noch am rechten Rande Schriftspuren. — Ediert von Wilcken, Abhandl. der Sächs. Gesell, d. Wiss. XXVII (1909) Nr. XXIII S.794ff. (W 1 ); neu herausgeg. von demselben in W. Chrest. Nr.i6(W 2 ). Die neuen Lesungen bezeichne ichimApparat mitW3.—Literatur: Wilcken, Grundzüge S.392. Roos I.e. S.41. Weitere Literatur oben S. 14 A. 2.
Den großen historischen Zusammenhang, in den dieser Text hineingehört, habe ich oben S. 14 skizziert. Als ich ihn 1909 herausgab, war es die erste Urkunde, die uns Nachrichten aus dem Judenkrieg brachte. Aber auch nachdem inzwischen sich die Zahl solcher Urkunden in erfreulicher Weise vermehrt hat, bleibt er von ganz besonderem Wert. Enthüllt er uns doch die Notlage, in die die römische Regierung durch diesen Krieg gekommen war, in drastischer Weise. Sie tritt namentlich darin hervor, daß man sich genötigt gesehen hat, die Dorfbevölkerung der Gaue gegen die Juden zu bewaffnen und kämpfen zu lassen, was für uns ganz beispiellos ist. Der Text hat aber auch dadurch seinen besonderen Wert, daß er in seinem zweiten Teil von der Meldung des Heranrückens einer anderen Legion spricht, die bereits in Memphis eingetroffen sei. Wir haben bisher die andere Legion auf den Turbo bezogen, der nach Eusebius 1. c. mit neuen Truppen entsendet war (s. oben S. I4f.) 1 . Nun glaube ich aber jetzt im letzten Augenblick in dem verstümmelten, bisher nicht entzifferten Wort hinter Xeyegoi/ den Namen des damaligen Präfekten Rutilius Lupus lesen zu können ( c Poy[Ti]X(oy), freilich nicht ohne paläographische Bedenken. Wenn das richtig ist, so entstehen neue Probleme, auf die ich in den Einzelbemerkungen zu Z. 16 hinweisen will. Unser Papyrus ist ein Bruchstück, dem mindestens eine Kolumne vorangegangen sein muß, und dem mindestens eine Kolumne nachgefolgt sein muß. Wiewohl der Text nichts enthält, was direkt auf einen Brief hinweist, ist es doch wohl das Wahrscheinlichste, daß wir einen Bericht in Briefform vor uns haben. Aber wer ist der Schreiber? Und wer ist der Adressat?
In meiner ersten Ausgabe hatte ich wegen der Zugehörigkeit zur Heptakomia- gruppe es als nicht unwahrscheinlich bezeichnet (S. 796), daß der Stratege Apollonios selbst der Verfasser dieses Schriftstückes sei, und hatte daher die in Z. 1 ff. erzählten kriegerischen Vorgänge in den Apollonopolites verlegt, fügte aber hinzu, daß auch andere Annahmen denkbar seien. Auf Grund seines Einblickes in die Gießener Papyri hat es dann Paul M. Meyer (P. Giss. II S. 47) für wahrscheinlicher erklärt, daß nicht Apollonios der Verfasser sei, sondern ein im Hermopolites Ansässiger, der dem Strategen einen Bericht über die Vorgänge daselbst erstattete, und in der
1 Auch ich noch in meinem im November geschriebenen Bericht in den »Forschungen und Fortschritten« I.März 1936 S.90.
Phil.-hist. Abh. 1936. Nr. 2. 2