Bremer Zeitung
Sonnabend, den 25. August 1934
1. Beilage zu Nr. 234
Aß
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Ein neues Kunstöenkmal im Bau
Auf der Bastion hinter der Bremer Kunsthalle haben vor einigen Tagen Handwerker einen kleinen Bauzaun aus Latten aufgeschlagen, der den Freunden unserer Wallanlagen, die jene Partie immer wieder gern und am liebsten aufsuchen, aufgefallen sein wird. Denn grade hier, wo es den Gartenbau-Architekten in hohem Maße geglückt ist, den Stil des sogenannten Englischen Gartens zu treffen, der sich in weiten Wiesen und einzelnen Baum- und Vuschgruppen ausprägt und etwas ureigen Niedersächsisches ist, das die Sachsen nach England gebracht haben und das von dem Wohnsitz der Angelsachsen nach Deutschland zurückgekommen ist als „Englischer Garten", grade hier, wo aus der Natur heraus ohne Vergewaltigung der Natur die ernste Stimmung der herben Strenge unserer Heimatlandschaft herrscht, muß so ein Bauzaunverschlag auffallen. Aber Bauzäune sind nicht um ihrer selbst willen da und haben bekanntlich kein langes Leben, und so wird auch nach Verlauf nur noch weniger Wochen dieser Zaun fallen und wird den Blick auf ein DenSmal, ein Kunstwerk freigeben, das dann zu den schönsten und eindruckmächtigsten in Bremen gehören wird. Es ist das Denkmal, das der junge bayerische Bildhauer Herbert Kubika, der seit der Wiederherstellung des alten Rathauses in Bremen tätig und hier heimisch geworden ist, für die in der Gefangenschaft gestorbenen deutschen Feldgrauen geschaffen hat. Wie die Bremer Zeitung seinerzeit ausführlich berichtet hat, veranstalteten die vereinigten ehemaligen Kriegsgefangenen für ein solches Denkmal ein Pvsisausschreiben, und unter den 39 Bewerbun-
Kein Betrieb
ohne die illustrierte Monatsschrift: „Kampf der Gefahr!"
gen wurde der erste Preis dem Entwurf Kubikas zuerkannt. Man hat ihm aber auch seinen Entwurf zur Ausführung in Auftrag gegeben, und unter seiner Leitung wird nun dieses wundervolle Werk in Stein ausgehauen. Auf dem Hofe der Bremer Bildhauerwerkstatt Schmidt und Schäfer an der Düsternstraße, wo Herbert Kubika sein Atelier hat, geht das bewunderungswürdig« Werk zeitgenössischer, echter deutscher Bildhauerkunst seiner Vollendung entgegen. Unterdessen haben hinter jenem Bauzaun die Steinmetzen den Sockel für das Denkmal fertig gestellt. Um eine ungefähre Vorstellung von den äußeren Ausmaßen des gelegentlich des Wettbewerbs hier auch beschriebenen Denkmals zu vermitteln, geben wir hier die Maße des oberen Sockelteiles: die Länge beträgt 2,65, die Breite 1 Meter.
Der Bauzaun auf der Bastion hinter der Bre- meck Kitnfthalle verdiente also sehr wohl die Auf- merksÄtstkeit, die er Lei vielen Spaziergängern gefunden und verursacht hat. Wir dürfen uns darüber freuen, daß die ehemaligen Kriegsgefangenen dieses Denkmal, das ein nationales Ehrenmal werden wird, in Bremen aufgestellt werden soll. Und dazu wird mit diesem Denkmal jenen Helden, die „hinter Stacheldraht" übermenschliches Leid getragen und übermenschliche Kämpfe bestanden haben, ein Gedenkstein errichtet, der würdig am der Seite des Denkmals steht, das der ehemalige Fähnrich Dwinger seinen Kameraden setzte in dem weit verbreiteten Buch „Armee hinter Stacheldraht".
Dertmuensmt unö Kriegsopfer
Von der NSKOV., Ortsgruppe Bremsn, wird uns folgendes geschrieben: Das Sozialamt der Deutschen Arbeitsfront und die NSKOV. erlassen folgenden Aufruf an alle Vertrauensräte:
In allen Betrieben ist es «ine ehrenvolle und somit selbstverständliche Pflicht des Vertrauensrats, sich im Rahmen des Gesetzes zur Ordnung der nationalen Arbeit und des Gesetzes über die Beschäftigung Schwerkriegsbeschädigter in ganz besonderer Weise der zur Betriebsgemeinschaft ge
hörenden Kriegsopfer — insbesondere der Schwerkriegsbeschädigten — anzunehmen. Die im Kriege und im Dienste für das Vaterland — also auch für die Erhaltung der Arbeitsstelle — erlittenen Leiden müssen bei Beurteilung eines jeden Einzelfalles berücksichtigt werden.
In Betrieben, in denen nach § 12 des Schwerbeschädigtengesetzes ein Vertrauensmann für die Schwerbeschädigten bestellt worden ist, erfordert es die besondere Stellung der Kriegsopfer, daß derselbe in allen die Kriegsopfer betreffenden Angelegenheiten zugezogen wird. Der Vertrauensrat wird es daher als seine selbstverständliche Aufgabe ansehen müssen, zu den die Kriegsopfer
betreffenden Angelegenheiten den Vertrauensmann der Schwerbeschädigten hinzuzuziehen, wenn nicht schon ein schwerkriegsbsschädigter Arbeitnehmer dem Vertrauensrat angehört.
Bei dieser Gelegenheit wird darauf hingewiesen, daß das Schwerbeschädigtengesetz noch Gültigkeit hat. Die Bestimmungen dieses Gesetzes müssen daher Berücksichtigung finden. Zugunsten der Schwerkriegsbeschädigten besteht z. B. noch der Kündigungsschutz (Zustimmung der Hauptfürsorgestelle ist erforderlich) und die Mindest- kündigungsfrist von 4 Wochen, falls nicht auf Grund von Vereinbarungen usw. günstigere Fristen Platz zu greifen haben.
Aufruf an alle Betriebsführer
LLSt. Der diesjährige Reichsparteitag der NSDAP. findet in der Zeit vom 5. bis 11. September in Nürnberg statt. Wieder sollen die braunen Kolonnen aus asten deutschen Gauen vor dem Führer aufmarschieren. Um den Erfolg dieser großartigen Tagung zu gewährleisten, ist es notwendig, daß alle Kreise tatkräftig mithelfen. Die Regierung hat durch Erlaß des Reichsministers bereits Anweisung gegeben, daß den Beamten, Angestellten und Arbeitern der Reichsdienststellen auf Antrag der erforderliche Urlaub ohne Anrechnung auf den Erholungsaufenthalt und mit Fortzahlung der Gehalts- und Lohnbezüge erteilt wird. Auch die alte Hansestadt Bremen wird mit vielen Teilnehmern auf dem Reichsparteitag in Nürnberg vertreten sein. An die Betriebsführer Bremens ergeht daher hierdurch der Aufruf, in gleicher Weise, wie die Regierung, zum restlosen Erfolg des Parteitages dadurch beizutragen, daß sie den Teilnehmern den erbetenen Urlaub mit Fortzahlung der Gehalts- und Lohnbezüge bereitwilligst gewähren. Alle Gliederungen der NSDAP. arbeiten selbstlos und ehrenhalber für die Bewegung und damit für das deutsche Volk. Die Teilnahme am Reichsparteitag soll ihnen neue Kraft und Richtlinien für die zukünftige Arbeit geben. gez. Robert Tretow,
Kreisorganisationsleiter.
Durchführung des Staatsjugendtags
in Bremen
Das Bremische Staatsamt teilt mit:
2m Anschluß an das bereits veröffentlichte Abkommen zwischen dem Reichsminister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung und dem Reichsjugendführer, das die Zusammenarbeit zwischen Schule und Reichsjugendführung und die Einführung des Staatsjugendtages — zunächst nur für das Jungvolk — regelt, hat die Landesschulbehörde für das bremische Staatsgebiet folgende Ausführungsbestimmungen erlassen:
1. Das Abkommen wird zunächst durchgeführt für alle Schüler und Schülerinnen vom 10. bis 14. Lebensjahre, in den höheren Schulen für alle Schüler und Schülerinnen bis einschließlich IIIII, in den gehobenen Zügen der Volksschule für die Klassen IV bis I. Die Schüler und Schülerinnen der Klassen von 0 III der höheren Schulen ab aufwärts und der Oberklassen der gehobenen Züge, die als Führer im Jungvolk benötigt werden, worden für diesen Zweck vom Schulbesuch am Sonnabend befreit. Mit Rücksicht auf diese Schüler und Schülerinnen ist in den in Frage kommenden Klassen tunlichst solcher Unterricht auf den Sonnabend zu legen, der für die Versetzung bzw. Prüfung nicht von entscheidender Bedeutung ist.
2. Die Beanspruchung des Jungvolks am Staatsjugendtag darf im Sommer die Zeit von 7 bis 19 Uhr, im Winter von 8 bis 18 Uhr nicht überschreiten.
An den Mittwochabenden darf das Jungvolk im Sommer nicht über 20)4 Uhr, im Winter nicht über 19)4 Uhr, die Hitler-Jugend nicht über 21 Uhr in Anspruch genommen werden. Für den Bund Deutscher Mädel gelten dieselben Zeiten. Die Dauer des Heimabends darf zwei Stunden nicht übersteigen.
3. Die aufgabenfreien Nachmittage und die bisherigen monatlichen Wandertage der nach Ziffer 1, Satz 1, in Frage kommenden Klassen fallen insoweit weg, als nicht in Ziffer 4, letzter Satz, etwas anderes bestimmt ist. Die Hausaufgaben für den auf den Staatsjugendtag folgenden Montag sind so einzurichten, daß sie am Freitagnachmittag von den Schülern erledigt werden können.
4. Die nicht der Hitlerjugend-Bewegung angehörenden Schüler und Schülerinnen Laben am Sonnabend pflichtmäßigen Unterricht. Dieser Unterricht soll nach einem festzulegenden Lehr- plane in zwei Unterichtsstunden den Schülern und Schülerinnen das nationalsozialistische Ge
dankengut nahebringen. Die nichtartschen Schüler sind von diesen Stunden befreit.
Soweit die Möglichkeit gegeben ist, wird eine Stunde Werkunterricht erteilt (Basteln, Schnitzen, Modellieren, Herstellen von einfachen Apparaten, Metall- und Papparbeit usw., sür die Mädchen Nadelarbeit). Die übrige Zeit ist den Leibesübungen (Ordnungsübungen, Körperschule, Leistungskurven, vorbereitende Uebungen für den Geländesport mit Kartenlesen, Orientieren im Gelände nach Kompaß, Sonne usw.) gewidmet. Nach Möglichkeit soll dabei auch das Schwimmen und Boxen zu seinem Recht kommen.
Der aufgabenfreie Nachmittag wird für die der Hitler-Jugend-Vewegung nicht «»gehörigen Schüler auf den Sonnabend verlegt. Einmal im Monat wird für diese Schüler am Sonnabend eine ganztägige Wanderung veranstaltet.
5. Solange die Reichsregelung des Staatsjugendtages für die gesamte Hitler-Jugend noch aussteht, nehmen Schüler (Schülerinnen) der Klaffen IV bis I der Volksschulen und VI bis IIIII der höheren Schulen, die bereits der Hitlerjugend (dem VDM.) angehören, an dem in Punkt 4 festgelegten Unterricht teil, sofern sie nicht von der Hitlerjugendführung den Uebungen des Jungvolks (der Jungmädelgruppen) für den Sonnabendvormittag zugeteilt sind.
6. Um das Zusammengehörigkeitsgefühl der Klassen zu stärken und um ein Sich kennenlernen von Lehrern und Schülern außerhalb der Schulmauern auch hinsichtlich der der Hitler-Jugend-Bewegung ungehörigen Schüler zu ermöglichen, findet in jedem Vierteljahr an einem Sonnabend eine gemeinsame Schulwanderung statt, an der sämtliche Lehrer, auf die Klaffen verteilt, teilzunehmen haben. Die Tage für diese Schulwanderungen werden von der Landesschulbehörde im Einvernehmen mit der zuständigen Hitler-Jugend-Führung für das Schuljahr festgesetzt.
7. Wo in einzelnen Klassen die Zahl der Schüler, die nicht der Hitler-Jugend angehören, so gering ist, daß die gewöhnliche Klasseneinteilung für den Sonnabend-Unterricht nicht beibehalten werden kann, sind Abteilungen etwa von der Größe einer Durchschnittsklasse zu bilden. Dabei können nicht zu weit auseinanderliegende Jahrgänge zusammengefaßt werden.
8. Stundenverteilungspläne, die für die Ueber-
gangszeit die notwendig werdenden Aenderungen im Stundenausmaß der einzelnen Fächer für alle Schulen verbindlich festlegen, werden den Schulen in Kürze zugehen, ebenso nähere Angaben über die Ausgestaltung des nationalpolitischen Unterrichts und des übrigen Sonnabend-Unterrichts für die Schüler, die nicht dem Jungvolk angehören.
9. Der erste Staatsjugendtag sür das Jungvolk findet bestimmungsgemäß am Sonnabend, 25. August 1934, statt. Er ist von den Schulen im Rahmen der bis dahin erlassenen Einzelbestimmungen geeignet zu gestalten.
Die Landesschulbehörde.
Kurz.
Volizeiliche Maßnahmen aus Anlaß des Grohflugtages
Die Polizeidirektion schreibt uns: Am Sonntag, dem 26. August 1934, findet im Flughafen Bremen ein Eroßslugtag statt. Hierzu ist folgendes angeordnet worden: Der planmäßige Straßenbahnverkehr zum Flughafen wird ab 12 Uhr eingestellt. Von diesem Zeitpunkt an verkehrt die Straßenbahn nur noch über die Eleisschleife Hya- zinthenweg—Neuenlanderstraße. Ab 13 Uhr ist mit dem Einsatz zahlreicher Betriebsmittel zu rechnen. Die Fahrgäste werden bis an die Ecke Hermann - Eöring - Straße — Hyazinthenweg gebracht. Auf der Hermann-Göring-Straße vom Hyazinthenweg bis zum Flughafen werden Kassen in ausreichender Zahl aufgestellt. Der Hyazinthenweg selbst wird für die Dauer der Veranstaltung für den Durchgangsverkehr gesperrt. Der Stuhrerweg darf nur begangen werden von
Di-ei Millionen Hektoliter deutscher Wein
Fast drei Millionen Hektoliter Wein werden jährlich in Deutschland gewonnen. Im Jahre 1931 z. B. waren es genau 2 839 536 Hektoliter. Davon waren 2 263 852 Hektoliter Weißwein, 393 290 Rotwein und 182 394 gemischt, nämlich vor allem der in Württemberg und auch Baden bekannte sogenannte „Schillerwein".
Sehr aufschlußreich ist auch ein Vergleich der verschiedenen Weinbaugebiets untereinander. Wenn wir die deutschen Länder nach ihrem Weinertrag ordnen, so steht Bayern mit 875 941 Hektoliter an der Spitze. Ihm folgen Preußen (670585 Hektoliter), Hessen (521532 Hektoliter), Baden (495945 Hektoliter), Württemberg (269683 Hektoliter). — Die geschlossenen Weinbaugebiete jedoch nehmen eine andere Rangordnung ein, da Preußen, aber auch Bayern, ja mehrere verschiedene Rebenlän- der besitzen. An erster Stelle steht nun die Pfalz, sowohl nach der Größe ihrer Weinbaufläche wie nach der Menge ihres Ertrages (750 055 Hektoliter und 15155 Hektar). Die hessischen Weinbaugebiebe zusammen folgen als zweitgrößtes deutsches Weinland (521 523 Hektoliter und 14 049 Hektar). Nummer drei ist Baden (495945 Hektoliter und 12459 Hektar). Nun kommt Württemberg (269683 Hektoliter und 10190 Hektar) und erst dann Mosel-, Saar- und Ruwergebiet zusammen, wenigstens nach der Größe der Fläche (10160 Hektar): nach der Ertragsmenge freilich steht diese Einheit mit 450184 Hektar bereits an vierter Stelle. Es folgt Unterfranken (118 771 Hektoliter) und 3385 Hektar), das Na he gebiet (89792 Hektoliter und 2769 Hektar). Den Beschluß bildet der eigentliche Rheingau mit 58228 Hektoliter und 2093 Hektar.
Die Kindermöve der Deutschen Lufthansa A.-G.
fliegt auch nach Ostfriesland
Es ist geplant, daß die Kindermöve in der Zeit vom 21. bis 24. August die Väder-Jnseln Vor- kum, Norderney, Wangerooge und Langeoog besucht und am 26. August Tuxhaven, am 27. Angriff Vremerhaven.
Dies wird sicherlich eine freudige Ueberraschung sür die Kinder und Schüler dieser Orte und Städte sein. Auch die Zeit, während der die Kindermöve in Bremen die Schuljugend in die Lüfte heben will, liegt bereits fest, und zwar wird die Kindermöve ihre emsige Arbeit am
28. August aufnehmen und voraussichtlich bis zum
29. August in Bremen bleiben.
Die Obersten Schulbehörden haben bereits einen Aufruf erlassen, der den Schulen in diesen Tagen zugeht.
MMM
M K0IVILU vo
Jetzt wurde auch Lotte Helmke auf einmal lebhaft.
„Mit der dummen Geschichte haben wir es ganz vergessen ... ein Brief von einer Tiefbaufirma, Heinz!"
„Von einer Tiefbau . . . macht kein« Witze!"
Frau Krautner kam bereits mit dem Brief zurück.
Kaum hatte Heinz den Firmenaufdruck auf dem Umschlag gelesen, als er ihn auch schon mit ziemlicher Hast aufriß.
„Bohrmann L Lissig!" sagte er. „Meine frühere Firma ... was wollen denn die von mir nach bald Zwei Jahren?"
Er entfaltete den Brief.
Lottes Blick hing gespannt an seinem Gesicht. Sie iah, wie es sich jäh verfärbte, eine helle Röte von unten heraufstieg. Dann hob er den Kopf, sah he an.
„Lotte!" sagte er. Sonst nichts. Aber in diesem einen Wort klang «in Ton, wie Lotte ihn nie vorher bei ihm hörte. So, als hole er die Luft ganz von tief innen herauf, als müsse er sich furchtbar anstrengen, das Wort überhaupt aussprechen zu können.
„Mas ist denn?" fragte sie erschrocken.
Heinz Dyhrenfurth lehnte sich an. Mit einem kiesen Atemzug fuhr er fort:
„Paß gut auf, jetzt ... ich lese vor! Augenblick "ach . .. erst mal eine Zigarette auf den Schreck!"
Er zündete die Zigarette an.
„Ist es schlimm?" fragte Lotte wieder.
Er nickte überzeugungsooll.
„sehr schlimm! So schlimm, daß man es noch gar nicht fassen kann!"
„Sie können einem ja einen schönen Schreck einjagen!" meint« Frau Krautner. „Nun lesen Sie schon!"
„Also Achtung! Sehr geehrter Herr Dyhrenfurth! Sie wissen ja, wie sehr wir es bedauerten, Sie im Oktober 1931 unter dem Zwange der Notwendigkeit entlassen zu müssen. Die allgemeine Wirtschaftsbelebung, die die Wandlung der Verhältnisse nun mit sich brachte, in Verbindung mit bedeutenden Aufträgen und Uebertragung von Arbeiten in der letzten Zeit, versetzt uns in die Lage, Neueinstellungeii in beträchtlichem Umfang vornehmen zu können. Es ist wohl selbstverständlich, daß wir dabei zuerst auf unsere alten Mitarbeiter zurückgreifen. Falls Sie also nicht anderweitig festgelegt sind, bitten wir um Ihren Besuch, damit wir persönlich über die Bedingungen Ihres Wiedereintritts verhandeln können. Mit vorzüglicher Hochachtung und so weiter."
Er ließ den Brief ganz langsam sinken, blickte zu Lotte hinüber, lachte und sagte ebenso langsam:
,,Na, wie stehen wir da?"
Plötzlich, von einer Sekunde zur anderen, schien ihm erst ganz klar zum Bewußtsein zu kommen, was dieser Br>ef bedeutet«. Er sprang auf. packte die überraschte Lotte, hob sie hoch, drehte sich so mit ihr zwei-, dr.imal im Kreise und schrie:
„Lotte, Lotte, Lotte! Mädel: Jetzt gehts los! Jetzt gehts los!"
Setzt« sie wieder auf den Boden, war mit zwei Schritten bei Muttchen Krautner und wollte dasselbe Experiment bei ihr versuchen. Die alte Dame rettete sich schleunigst um den Tisch herum.
„Nicht mit mir, Heinz!" lächelt« sie. „Ich bin solchen Strapazen nicht gewachsen! Die Lotte hält das eher aus!"
„Setzt euch!" kommandierte er.
Sie taten es.
Er selbst war viel zu erregt, um sich setzen zu können. Er marschierte im Zimmer auf und ab.
„Augenblick!", sagte er. „Das muß erst mal rein in den Schädel, der solche Ueberraschungen nicht mehr gewohnt ist! Wiedereinstellung ... das heißt doch nichts anderes als: Heinz Dyhrenfurth bekommt ein anständiges Gehalt, nicht wahr? Und zum dritten heißt das: Heinz Dyhrenfurth kann... na, Lottekind, jetzt rate mal!"
„Ich... ich weiß nicht!" sagte sie leise.
Er blieb vor ihr stehen, beugte sich herab zu ihr, umfaßte mit beiden Händen ihre Schultern und küßte sie.
„Dummchen!" lachte er. „Patz auf, Muttchen Krautner kann es besser raten!"
„Was Sie alles von einem verlangen!"
„Nicht zu glauben, wie denkfaul die Menschen heute geworden sind!" kopfschiittelte er. „Also . . . zum dritten: HeinzDyhrenfurth kann — heiraten!"
Und wieder wurde Lotte hochgehoben und im Kreis herumgewirbelt, bis sie sich beide atemlos gegenüberstanden, sich aus leuchtenden Augen anblickten und das taten, was Menschen, die sich lieben, immer tun, wenn sie sich soviel zu sagen haben, daß das Wörterbuch nicht mehr ausreicht: sich küßten!
Als sich Heinz Dyhrenfurth und Ernst Becker am nääisten Morgen trafen, um Frau Krukenbring zu besuchen, war es ganz natürlich, daß Heinz sofort nach der Begrüßung mit der großen Neuigkeit herausplatzte.
„Du Glücklicher!" sagte Ernst Becker. Und drückte dem Kameraden doch neidlos die Hand „Ich gönn dir's. Einmal wird ja auch für mich wieder irgendwo ein Platz frei werden, meinst du nicht?"
Heinz Dyhrenfurth lachte verschmitzt.
„Laß mich doch erst mal zu Ende erzählen! Heute morgen also rufe ich bei dem technischen Leiter der Firma, Herrn Lissig, an. In seiner Privat- wohnung. So etwas schiebt man doch nicht auf die lange Bank, nicht wahr? Na, also kurzer Rede langer Sinn: Ich bin wieder eingestellt, bekomme drethundertnndfünfzig Mark Gehalt . . . hundert Mark weniger als früher ... aber dreihundertund- fiinfzig Mark sind ein Vermögen!"
„Das will ich meinen!"
„Nun entsteht aber eine andere Frage, mein lieber Ernst: Wie lange gedenkst du noch draußen im Arbeitslager zu bleiben?"
Ernst Becker blieb stehen und schaute den Freund an, als habe er nicht richtig verstanden.
^ „Wie lange noch ... na, hör mal, Heinz, komische Fragen stellst du! Wir waren damals dankbar, als sich uns nach langer Pause wieder Gelegenheit zur Arbeit bot . . . wenn die Bezahlung nicht so ist, wie wir es uns vielleicht wünschen . . . gerade du warst immer derjenige, der sagte: Besser zwanzig Mark in der Woche, durch Arbeit verdient, als fünfzig Mark Almosen!"
Auf dem Standpunkt stehe ich heute auch noch! Aber was meinst du . . . bei der Unterhaltung mit Herrn Lissig stellte es sich heraus, daß auch ein technischer Zeichner und Konstrukteur gebraucht wird."
„Heinz!"
„Warte ab. Junge! Ich ha>be dich herausgestrichen und einen Künstler aus dir gemacht, gegen den alle Zeichner und Konstrukteure der Welt Waisenkinder sind. Die Folge ist . . . du sollst dich morgen früh vorstellen!"
„Ist... das wahr?" fragte Ernst Becker ungläubig.
„Glaubst du, ich erzähle dir Erimmsche Märchen? Morgen früh turnst du also los. bestellst Herrn Lissig einen schönen Gruß von mir, zeigst ihm deine Zeugnisse, stellst deine Ansprüche — ich habe so etwas von vorläufig dreihundert Mark unterfließen lassen — und wenn du nicht eingestellt wirst, liegt es nur an dir!"
Parzellisten, die zu ihren Grundstücken wollen. Im übrigen wird für Zuschauer auf dem Stuhrer- Weg ein Eintrittsgeld erhoben. — Der Ochtum- deich wird auf dem Abschnitt des Flughafens aus sicherheitspolizeilichen Gründen für jeden Verkehr gesperrt.
Kraftfahrzeuge nehmen die Anfahrt von der Stadt kommend nur über Richthofenstratze—Her- mann-Eöring-Strahe zum Flughafen. Oestlich vom Flughafenrestaurant zwischen dem Rollfeld und dem Schienenstrang, vor den Focke-Wulf-Werken, wird ein geräumiger Parkplatz und ein Halteplatz für Kraftdroschken eingerichtet. Die Hünefeldstraße wird für Fußgänger und parkende Fahrzeuge gesperrt.
Nach Schluß der Veranstaltung halt die Straßenbahn Betriebsmittel in der Hermann-Göring- Straße bereit. Erster Wagen am Hyazinthenweg. Die Wagen fahren über Hyazinthenweg—Neuenlander Straße zur Stadt. Kraftfahrzeuge verlassen den Flughafen nur über Hünefeldstratze. Fußgänger nehmen den Weg nur über Hermann-ELring- Straße—Richthofenstratze. — Das Betreten der Wiesen, Weiden und Kleingärten durch Unbefugte ist verboten.
Im Sanitätsraum des Verwaltungsgebäudes wird eine Kindersammelstelle eingerichtet. — Das Publikum wird im eigenen Interesse dringend gebeten, den Anordnungen der Polizeibeamten und der ihnen zur Unterstützung beigegebenen Ordner der Fliegerformation sowie der Flughafenleitung unverzüglich und willig Folge zu leisten. Es ist strengstens verboten, bei irgendwelchen Vorkommnissen die Absperrungen zu durchbrechen. Ruhe, Besonnenheit und diszipliniertes Verhalten ist in allen Fällen die erste Pflicht.
Landvolk-Kundgebung in Oldenburg am 2S. August
Zum ersten Mal seit der nationalsozialistischen Revolution schickt sich das geeinte Landvolk an, einen Aufmarsch in der Landeshauptstadt durchzuführen. Früher gespalten in viele Bünde und Gruppen ist heute das Landvolk zu einer Einheit geworden, die im nationalsozialistischen Deutschland den ersten Platz einnimmt. Tausende und aber Tausende Volksgenossen, Bauern, Landarbeiter, Knechte und Mägde haben sich in einer machtvollen Organisation vereinigt, um gemeinsam zu arbeiten am Wiederaufbau unseres Va-
Dsulsekiancls srlolgrsicksls 5I»0k7kI.Ik0kir am 5larU
26. äugus« 1936
terlandes. Diese Einheit und Entschlossenheit soll ihren Ausdruck finden in der großen Kundgebung am Sonntag.
Führer der großen Reichsorganisation des Landvolks, Vertreter des Reichspropagandaministeriums, der Reichsjugendführung, Vertreter aus den Reichs- und Staatsministerien werden durch ihre Anwesenheit ihre Verbundenheit mit dem Landvolk beweisen.
Die große Kundgebung findet vormittags 10 Uhr auf den Dobbenwiesen statt. Kein Angehöriger des Landvolks, ob Bauern, Magd oder Knecht, darf hierbei fehlen. Alle müssen erscheinen, um die Kundgebung zu einer der machtvollsten der letzten Zeit zu gestalten.
Nachmittags um 3 Uhr erfolgt auf dem Platz eine Uebertragung der Rede des Führers von der Saar kund gebung in Koblenz. Auch hierzu ist volles Erscheinen Pflicht.
Für jeden Angehörigen des Landvolks heißt für Sonntag die Parole:
Heraus zur Kundgebung in Oldenburg.
Das Gesicht des sonst immer etwas ernsten Becker strahlte.
„Kannst du von Glück sagen, daß wir unter Menschen sind, Heinz!"
„Wieso? Mordgelüste bitte woanders anzubringen!"
„Ich würde dir vor Freude ein paar herunterhauen!"
„Du hast ja eigentümliche Gewohnheiten, deine Freude zum Ausdruck zu bringen!"
„Herrgott . . . was wird Trete sagen!"
„Wahrscheinlich dasselbe, was meine Lotte sagte, nämlich gar nichts! Die Frauen sind nun mal so ... es gibt Augenblicke, da reden sie wie «in Buch. Und wenn sie reden sollen, kriegen sie kein Wort heraus!"
Ernst Becker packte Heinz Dyhrenfurths Arm und schüttelte ihn.
„Wenn . . . wenn ich wirklich eingestellt werde, ist in vier Wochen Hochzeit!" sagte er.
Heinz machte seinen Arm los.
„Vor allem, mein lieber Junge, reiß mir nicht den Arm aus, den brauche ich noch! Und dann.. das mit der Hochzeit ... ihr habt es ja kolossal eilig!" Er lachte. „Oder hast du Angst, von der Ehestandsbeihilfe ist nichts mehr da. wenn ihr noch etwas wartet?"
„Das nicht. . ."
„Na also! Wenn du zum Beispiel ein richtiger Freund wärst, würdest du sagen: Heinz, ich warte bis ihr auch soweit seid!"
„Wie lange würde denn das dauern?"
„Na, sagen wir mal, bis ich zwei Monatsgehälter eingesteckt habe! Wir bleiben natürlich bei Mutter Krautner wohnen, der wir allerhand zu verdanken haben. Um Möbel brauchen wir uns nicht zu kümmern, können also unsere Ebestands- bilfe einem Paar überlasten, das es nötiger braucht Ich habe gedacht ... so Mitte Oktober sind wir auch soweit!"
„Darüber läßt sich reden, Heinz!"
(Fortsetzung folgt)