Nr. 279 Jahrgang 1934
Bremer Zeitung
Dienstag, den 9. Oktober 1934
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Man wollte wieder am Zeuge flicken
Abermals eine Beschuldigung gegen die Deutsche Front zusammengebrochen
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Saarbrücken, 9. Oktober.
Vor dem Internationalen Obersten Gerichtshof in Saarlouis fand unter dem Vorsitz des Schweb zers Allenbach gestern eine Verhandlung statt, deren Verlauf wieder einmal zeigte, wie unbegründet das Vorgehen der Regierungskommission gegen die Deutsche Front und den Freiwilligen Arbeitsdienst ist.
Bekanntlich wurde am 17. Juli während der Haussuchungen in den Büroräumen der Deutschen Front u. a. die Abschrift eines Schreibens gefunden. das an die Leitung eines Arbeitsdienstlagers in Schlesien gesandt worden sein sollte und das ungünstige Bemerkungen über den dort dienenden Arbeitsdienstfreiwilligen Otto Schneider aus Dudweilcr (Saargebiet) enthalten haben sollte. Wegen dieses Schreibens war der stellvertretende Landesgeschäftsführer der Deutschen Front Dr. Reisel in Haft genommen und vor den Obersten Gerichtshof gestellt worden, wo er sich wegen Vergehens gegen 8 92s (De nu nz ia t i on bei reich» deutschen Stellen) zu verantworten hatte.
In der Verhandlung bekundete ein Zeuge, daß das Originalschreiben an den Arbeitsdienst niemals abgesandt worden ist, sondern vielmehr von Dr. Reisel persönlich verbrannt wurde. Auch der angeblich denunzierte Arbeitsdienstfreiwillige Otto Schneider trat als Zeuge auf und Lestritt die Möglichkeit, daß Dr. Reisel ihn etwa bei reichsdeutschen Behörden habe schädigen wollen. Das Gericht kam dann auch zu einem Freispruch für Dr. Reisel.
In der Urteilsbegründung wurde darauf hingewiesen, es sei nicht der Beweis dafür erbracht, daß Dr. Reisel den fraglichen Brief, der übrigens einen der Hauptgründe zum Verbot des Freiwilligen Arbeitsdienstes im Saargebiet bildete, wirklich abgeschickt habe.
Greueltaten
' der spanischen Aufständischen
Paris, 8. Oktober
Nach einer Havas-Meldung aus Palencia (Nordspanien) sollen die Aufständischen in der Ortschaft Barruelo fürchterlich gehaust haben. Sie sollen die Polizeikasernen in die Luft gesprengt und sogar die Familienangehörigen der Polizeibeamten niedergemetzelt haben. Dasselbe Schicksal hat angeblich ein Waisenhaus erfahren, das von religiösen Schwestern betreut wurde. Sämtliche Schwestern und auch einige der Waisenkinder sollen dabei ums Leben gekommen sein.
Wie Havas weiter aus Madrid meldet, ist es dort in der Nähe des Südbahnhofs zu einem schweren Zusammenstoß zwischen Aufständischen und der Polizei gekommen, wobei sechs Personen getötet und zahlreiche weitere verletzt -vSordelk sind.
Xltulescus Bedenkzeit
Bukarest, 8. Oktober.
Nastchem Ministerpräsident Tartarescu vom König amMontag in einer längeren Audienz empfangen worden war, bot er
Landsberg (Lech), 8. Oktober.
Der Führer stattete am Montag der Festungshaftabteilung der Strafanstalt Landsberg am Leih überraschend einen Besuch ab. In dieser Anstalt hat der Führer vor genau zehn Jahren einen Teil der Festungshaft verbracht, zu der er vom sogenannten Volksgericht München nach dem Erhebungsversuch vom 9. November 1923 verurteilt worden war. Vom 11. November 1923 ab befanden sich der Führer und viele seiner Mitkämpfer in der Strafanstalt Landsberg am Lech, und erst der 2V. Dezember 1924 öffnete nach Erlaß der Amnestie dem Führer, der Sylvestertag seinen Mitkämpfern die Festungstore.
Der Führer war bei seinem Besuch in der Festungsanstalt von zwei seiner damaligen Mitgefangenen begleitet, dem jetzigen Oberführer und ständigen Begleiter des Führers Julius Schau b und dem heutigen Stadtrat und SS.-Standarten-
Titulescu offiziell das Außenministerium in seinem Kabinett an Das Angebot wurde in besonders entgegenkommender und herzlicher Form gehalten. Dennoch entschied sich Titulecu nah nicht und bat um eine Bedenkzeit bis Mittwoch
Hwpaganöaflug französischer- Flugzeugtypen
Aus dem in der Nähe von Paris gelegenen Flughafen Orly sind am Montag 14 Flugzeuge aufgestiegen, um einen Rundflug nach Spanien, Portugal und Marokko zu unternehmen. Bei den Flugzeugen handelt es sich um zwei Jagdflugzeuge, ein mehrsitziges Jagdflugzeug, drei Bombenflugzeuge, ein Schulflugzeug, ein Kolonial- flugzeug, ein Sportflugzeug, vier Verkehrs- und ein zweimotoriges Transportflugzeug. Der Flug dient dem Zweck, dem Auslande eine ganze Auswahl französischer Flugzeugtypen vorzuführen.
Mordanklage gegen Hauptmann
Das Sondergeschworenengericht in Flemington (New Jersey), das über die Anklageerhebung im Falle Lindbergh zu bekunden hat, hat beschlossen, gegen Hauptmann die Anklage wegen Mordes zu erheben. Nachdem bereits vor einigen Tagen ein früherer Farmer, der eine Farm in der Nähe des Lindberghschen Sommersitzes Hopewell besessen hatte, Aussagen gemacht hatte, die Hauptmann sehr stark belasteten, hat sich jetzt, wie Staatsanwalt Foley bekanntgab, ein neuer Belastungszeuge eingefunden. Es handelt sich um den Tank- stellenbesitzer Charles Ealambos, der-in Manville (New Jersey) eine Tankstation unterhält. Ealambos hat jetzt in Hauptmann den Mann wiedererkannt, der im Jahre 1932 fünf Monate lang einen schwarzen Personenkraftwagen in seiner Garage eingestellt hatte. Während dieser Zeit hat Hauptmann von Manville aus, das nur etwa 28 Kilometer von Lindberghs Sommersitz Hopewell entfernt ist, sehr häufig Kraftwagenausflüge unternommen.
Sprengstosfanschlag in Wien. Ein Sprengstoffanschlag wurde am Montagabend im 20. Wiener Eemeindebezirk ausgeführt, wo eine öffentliche Fernsprechstelle in die Luft flog. Rings um das zerstörte Häuschen fand man zahlreiche kommunistische Flugzettel.
Marokkanisches Schühenregiment nach Frankreich verlegt. In Bordeaux ist Sonntag nachmittag ein Teil des 8. marokkanischen Schützenregiments aus Fez eingetroffen. Die Truppen werden am Dienstag ihre zukünftige Garnison in Agen beziehen.
Deutsch« Biicherstiftung für Schanghai. Generalkonsul Kriebel übergab in Schanghai am Montag 3000 von der Notgemeinschaft deutscher Wissenschaft gestiftet« Bücher der im Neuaufbau begriffenen orientalischen Bibliothek. Die alte imt Stadtteil Chapei gelegene Bibliothek war 1932 während der Kämpfe mit den Japanern völlig niedergebrannt.
führer M a u r i c e-München. Der Führer besichtigte eingehend den Festungshaftbau, die Festungshaftstube, in der er damals» untergebracht war, und die Zellen seiner Mitgefangenen und Mitkämpfer Rudolf Hetz, Kriebel, Maurice, Schaub und andere. Die Zellen sind heute nicht mehr belegt, sondern befinden sich in ihrem einstigen Zustand. Ueber der Tür der Zelle 7 ist eine Gedenktafel angebracht, der Vorraum ist mit Blumen geschmückt. Zelle und Vorraum sind zur Besichtigung freigegeben.
Der Führer trug sich in das ausgelegte Besucherbuch ein und begrüßte dann zwei Strafanstaltsbeamte, die schon vor zehn Jahren in der Anstalt tätig waren. Auf der Rückfahrt durch das wunderhübsche alte Städtchen Landsberg wurde der Führer auf dem Marktplatz von einer viel- hundertköpfigen Menschenmenge begrüßt.
Woher kommt die Farbe des Herbstes?
Ueber diese Frage wird wohl schon mancher nachgedacht haben, denn die oft ausgesprochene Meinung, „das Laub wird eben welk", trifft den wahren Grund nicht. Von einem Welkwerden kann keine Rede sein, so lange das Laub noch seine volle Saftigkeit und Frische besitzt, aber sich trotzdem lebhaft verfärbt. Die Chemiker haben nun wie so viele anderen Naturvorgänge, auch den der herbstlichen Laubfärbung gründlich erforscht. Dabei ist festgestellt worden, daß die Bunt- färbung des Laubes auf eine chemische Veränderung der im Laub vorhandenen Stärkekörner zurückzuführen ist. Die Stärkekörner werden im Sommer durch die Entwicklung der Hitze mehr und mehr in Zucker umgewandelt.
Im Herbst dann, wenn die Intensität der Sommerwärme nachzulassen beginnt, fangen diese Zuckerkörner an, sich zu zersetzen. Die Zersetzungsprodukte — vorwiegend Säuren — bilden die auffallend roten bis braunroten Farben. Später, wenn das Laub erst als wirklich „welk" bezeichnet werden kann, haben sich auch die Zer- setzungsprodukte des Zuckers verflüchtigt. Dann bleibt nur das leere, strohige Zellengewebe des Blattes übrig. Derartige Blätter zeigen dann auch stets eine schmutzig braune, niemals lebhafte Farbe.
Das Ende unserer Stubenfliege
Man hat wohl schon oft beobachtet, daß im Herbst die vorher so zahlreichen Fliegen wie weggeblasen sind. Wie läßt sich das nun erklären? Es ist auf ein großes Sterben unter ihnen zurückzuführen, hervorgerufen durch eine sehr ansteckende Pilzkrankheit. Manchmal sieht man tote Fliegen mit gespreizten Beinen und Flügeln an Wänden und Fensterscheiben hängen, mit geschwollenem, weiß gepudertem Hinterleib. Das ist die Art, wie die Natur unter diesen lästigen Plagegeistern aufräumt. Löst man einen solchen Fliegenleichnam von der Wand ab, so sieht man, daß er durch einen zarten Schimmel festgehalten wird, eben jenem Pilz, der uns von dem Ungeziefer befreit, merkwürdigerweise aber nur im Herbste vegetiert.
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„Deutsch ist die Saar." Zu diesem Thema spricht im größten hiesigen Saal am 16. Oktober der bekannte Verteidiger aus dem Schlageter- Prozeß und den vielen Prozessen zurzeit der Ruhrbesetzung, Professor Dr. Grimm-Essen. Gleichzeitig ist dieser Vertrag auch die erste Ver-
Am Sonntag tagte in Oldenburg im Hotel „Anton Günther" eine von der Gaupropagandaleitung einberufene Versammlung, an der sämtliche Kreispropagandaleiter sowie die Kreisabteilungsleiter für Funk, Film, Kultur und Presse teilnahmen. Eaupropagandaleiter Schulze, der die Tagung leitete, eröffnete nach kurzen Begrüßungsworten die interne Veranstaltung mit einem ausgezeichneten Referat, in dem er den anwesenden Propagandisten nicht nur Richtlinien über die Taktik der einzuschlagenden Propaganda gab, sondern sie gleichzeitig nebenher über alle Fragen orientierte, die zur Arbeit einer erfolgreich durchzuführenden Propaganda notwendig sind.
Der Bericht des Gaupropagandaleiters stützte sich im wesentlichen auf die kürzlich stattgefun- denen Reichstagungen der Eaupropagandaleiter in Koblenz und Berlin, die beide richtungweisend für die Arbeit der Zukunft sein sollen. Hinsichtlich des Begriffs „Arbeit der Propagandisten" zeigte der Referent den Anwesenden eine Dreiteilung, wie diese vom Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda aufgefaßt wird. Den ersten Teil bildet die Organisation der PO., die die inneren Angelegenheiten der Partei zu regeln hat. Dem eng angeschlossen ist der Begriff der Schulung des Nachwuchses. Die eigentliche Propaganda ergibt das Gebiet, welches zwischen Idee und Organisation sein soll. Demnach mutz die Propaganda das Verbindungsglied zwischen Regierung und Volk darstellen. Eaupropagandaleiter Schulze faßte den gewaltigen Arbeitskomplex, der auf diesem Gebiete den Propagandisten der Bewegung gestellt ist, in dem Satz zusammen: „Es ist der Weg von der Regierung zum Volk und vom Volk zur Regierung, den
anstaltung des Eoethebundes im Winter 1934/35. Der Vorverkauf hat schon eingesetzt, das Interesse ist groß.
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Mit Tschingderassassa-Bumm. Der unermüdliche Musikzug des Delmenhorster Jungvolks zog am Sonnabend wieder auf und gab auf dem Rathausplatz ein Standkonzert. Wieder war die Zuhörerschar erstaunt über die Leistung der zehn- bis vierzehnjährigen Jungen. Am Sonntag gab er dann vor großem Publikum ein Konzert inGrüppenbllhren. An beiden Konzerten wirkten auch Solisten mit. Unser Delmenhorster Jungvolkmusikzug ist einzig, und überall, wo er sich sehen läßt, gewinnt er sich neue Freunde.
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Oldenburgische Landes-Gruppengesliigelschau. In
den Sälen der Rembrandtwerke findet vom 9. bis 11. November die 1. Oldenburgische Landes-Grup- pengeflügelschau statt, verbunden mit der 15. Delmenhorster Geflügelausstellung, die vom Delmenhorster Eeflügelzuchtverein durchgeführt wird. Die Landesgruppenschau erfolgt unter Beteiligung der Landesbauernschaft Oldenburg und Bremen des Reichsverbandes Deutscher Kleintierzüchter und der Landesgruppe Oldenburg der Reichsfachgruppe der Ausstellungsgeflügelzüchter und einer Reihe von Sondervereinen. In der Ausstellung ist auch eine Abteilung Reisebrieftauben enthalten. Der Landesgruppenführer Walther - Oldenburg wird die Schau eröffnen.
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Pimpfe machen Sängerkrieg. Der Stamm Syke- ' Nord II/1/73 des DJ. war auf dem Schulhof aufmarschiert, wo sich die einzelnen Fähnlein in einem Wettsingen treffen sollten. Stammführer K n i e f - Seckenhausen sprach kurze Begrüßungsworte. Im Singen fiel den im Fähnlein II vereinigten Pimpfen aus Brinkum und Erichshof unter Fähnleinführer Maatz mit den Liedern „Was fragt Ihr dumm" und „Weit laßt die Fahnen wehen" der Sieg zu. Als Anerkennung wurde diesem Fähnlein die neu eingetroffene Stammfahne sowie ein Jungen- zugwimpel verliehen. Nach einem Hinmarsch durch Brinkum und Erichshof 'wurde die Veranstaltung mit einem Vorbeimarsch am Jungvolkheim beendet.
Der Bau der Molkerei beschlossene Tatsache. In der wichtigsten Bauernversammlung, die wohl je hier getagt hat, nahmen außer Pg. Thes- mer von der Milchversorgung Bremen, der in Begleitung Pg. Dr. Körte erschienen war, nahmen noch der Gemeindeschulze Brink- mann, der Vorsitzende des Milchversorgungs-
Bewegung im Gau Weser-Sms
die Propagandisten zu ebnen haben. Am Anfang stand der Schöpfer unserer Idee, am Ende wird stehen ein nationalsozialistisches Volk!"
Gauabteilungsleiter Athen referierte darauf über die Aufgaben und Ziele der Pressebearbeitung, wobei er die volle Mitarbeit der gesamten Presse, die erstrebenswert sei, in den Vordergrund stellte. An diese Referate schloß sich eine allgemeine Aussprache an, die nicht allein durch die außerordentlich rege Beteiligung, sondern durch die Art der Anfragen zeigte, wie notwendig nach wie vor eine Propaganda im Volk ist. Allseitig wurde die Mitteilung des Gaupropagandaleiters, daß derartige Zusammenkünfte alle vier Wochen stattfinden sollen, freudig begrüßt.
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NSDFB.-Tresfen. Am Sonnabend und Sonntag führten etwa 7000 Mitglieder des NSDFV. (Stahlhelm) anläßlich der Verpflichtung des Kreises Niederelbe auf den NSDFB. (Stahlhelm) ein imposantes Treffen in Stade durch, an dem die Landesverbände „Nordse e" und „Hans a" teilnahmen. Den Auftakt bildete am Sonnabendabend ein großer Fackelzug. Der Sonntagvormittag war einem Aufmarsch auf dem großen Exerzierplatz vor den Toren der Stadt gewidmet. Superintendent Crusius und der Führer des Landesverbandes „Nordsee", Volkmann, sowie Gau- führer Bergmann unterstrichen in ihren überaus packend und zu Herzen gehenden Ansprachen, in denen gleichzeitig die Verpflichtung des Kreises Niederelbe einbegriffen war, die unerschütterliche und unzerreißbare Verbundenheit der im NSDFB. (Stahlhelm) zusammengefaßten alten Frontkämpfer mit dem Staat Adolf Hitlers.
Nach zehn Zähren in Landöberg...
Der Führer besuchte die Zelle, in der er ab 1923 seine Hast verbüßte
Das Gebiet zwischen Idee und Organisation
Tagung der Vropagandisten der
Die Heringsköpfe
Line Dach-äegende von Walter Dähv
Nicht erst seit gestern will das Geld auf der Straße gefunden werden.
Als der große Johann Sebastian Bach noch als fünfzehnjähriges „Büchlein" an der Lateinschule in Lüneburg in den Wissenschaften plätscherte, schwoll seine junge Seele bereits von inbrünstigem Verlangen nach jener edlen Musika, wie sie der weiland hochgelobte Meister Johann Adam Reinken in Hamburg auf der Orgel soll äso glori» erbrausen ließ. Oft pilgerte Johann Sebastian nach der Scholaren Weise zu Fuß gen Hamburg zu solcherart Ohrenschmaus.
Einstmals hatte er den Besuch bei dem verehrten Meister länger ausgedehnt, als es sein Geldbeutlein erlaubte, mit dem es bei ihm, als einem Waisenknaben, alleweil kärglich bestellt gewesen ist. Johann Sebastian durchmaß wieder einmal den Staub der Landstraße, die links der Elbe sich Lüneburg zuwendet. Er war auf halbem Wege. Die Sonne sengte vom wolkenlosen Julihimmel. Heiß kam der Mittagswind aus der Liineburger Heide. Die Kehle dörrte und der Magen knurrte.
D-rgcblich versuchte Johann Sebastian dies« Musik seines leiblichen Innern mit der Erinnerung an die schier unirdischen Klänge zu übertönen, die ihm seit Hamburg im Herzen hafteten. Umsonst schüttelte, drückte, wendete er die Borse, durchforschte er mit Hand und Auge ihre Falten. Sie war und blieb geleert, leer wie der Magen, der immer ungebärdiger sein Recht verlangte. Erschöpft, schwitzend und staubbedeckt sank er aus die Bank vor einem Wirtshaus an der Straße.
Neben ihm sättigte sich ein Sperlingsvolk mit Geschrei an dem Hafer aus einer Fuhrmanns- krippc. Aus der Küche des Gasthauses quollen köstliche Düfte, die nach kräftiger Suppe -nd
rvohlgebräuntem Braten schmeckten. Johann Sebastians Blicke wanderten nach dem unfeinen Schatten einer Geisblattlaube. Den grauen Holztisch darin dachte er sich alsbald bedeckt mit einer weißblau-en Beiderwanddecke; sich selbst daran- sitzend hinter Suppe, Braten und goldhellem sahneschäumigem Gerstenbräu.
Zwischen seiner Bank in der Sonne und dem Schatten in der Laube lag ein Kehrichthaufen. Johann Sebastian wandte den Blick auf das mißfarbene Sinnzeichen der Vergänglichkeit. Kein Mensch war zu sehen. Er fühlte sich sehr verlassen und kehrichthaft. Seine Augen füllten sich mit Tränen, die langsam von den Wimpern tropften. Seine Lippen formten schwere Seufzer und bitter« Betrachtungen. Mit seinem Schicksal hadernd, erörterte er selbstgesprächsweise das Wünschbare, aber äußerst Unwahrscheinlich« eines wunderbaren Beistandes.
Plötzlich knarrte ein Fenster über ihm. Zween Heringsköpfe flogen auf den Kehricht. Das Fenster klappte zu. Perlmuttschimmernd blinkten die Heringsköpfe auf dem gelbbraunen Unrat. Wenn man sie säubern und zerlegen würde, vielleicht haftete noch etwas von dem wohlschmeckenden, sanftsalzigen Fischfleisch daran? Johann Sebastian hätte kein thüringer Kind sein müssen, um nicht solche Gedanken zu hegen: denn die Thüringer schätzen den Hering.
Vorsichtig spähte der Hungernde umher. Hinter de- flaschengrünen, Lleigefaßten Fensterscheiben war niemand zu bemerken. Die Straße blieb einsam. Nur die Spatzen schilpten. Aus der Küche drang Geräusch von Schüsseln, und im Stall nebenan muhte eine Kuh. Kein Mensch kam. Geschwind bemächtigte sich Johann Sebastian der Heringsköpfe,' zergliederte den einen, den anderen. Aus jedem rollte ihm ein vollgewichtiger dänischer Dukaten in die Hand.
Als Johann Sebastian des ersten Erstaunens beinahe mächtig geworden war, setzte er sich in die
Laube, klopfte kräftig mit den Dukaten auf den Tisch, bestellte aus Küche und Keller; aß, trank un' genoß mit erfrischten Sinnen das Wunder. Sei sm Urheber, der hinter den flaschengrünen Scheiben verborgen sein mochte, forschte er nicht n..ch; nicht aus Undankbarkeit, sondern aus glück- hafter Scheu. Verflogen waren Mißmut und Müdigkeit. Musik im Herzen, schritt er davon, nicht nach Lüneburg, abermals hamburgwärts, abermals zu Reinken.
Vor der Wirtshausbank lagen ohne Perlmuttglanz zerfasert und zerfetzt die Heringsköpfe.
„Blondin im Glück"
Dpern-Nraufführung in Hannover
Was ist an dieser angeblich „heiteren Oper" HansGrimms heiter? Das ist hier die Frage. Es gibt ein paar burleske Szenen darin. Das ist alles. Grimm hat seinem Text die wahrhaft reizende Novelle.von Heinrich Zschokke „Der Blondin von Namur" zugrunde gelegt. Sie ist romantisch, märchen- und traumhaft, sie ist der geignetste Nährboden für eine Oper. Blondin, ein Spitzen- händler von Namur, liebt seine Nachbarin, die Baronesse Jacqueline und sie ihn wieder. Doch soll kein Spitzenhändler mit dem Adel gehen — denn der allein steht auf der Menschheit Höh'n .... Also gibt es einen Rokoko-Konflikt.
Auf den inmitten der graugepuderten Perücken ganz allein getreideblonden Spitzenhändler — einen rechten Unschuldsknaben — sind auch noch andere Frauen scharf. Viele Mädchen von Namur und eine leibhaftige Herzogin. Die schickt ihm einen Boten in der Maske eines Zauberers auf den Hals; der soll mit ihm einen Schatz heben. Blondin erwacht als „Schatz" der Herzogin, siehe Shakespeare Kesselflicker Schlau in „Der Widerspenstigen Zähmung". Er findet sich sehr schön in
die neue Schatzrolle hinein, vier Monate lang. Dann wird er wieder in den Spitzenladen zurück- transportiert, und da er das schäferliche Idyll mit der Herzogin nicht an die Namurer Stadtglocke hängt, bekommt er Geld und Adel in einem Ritt. Und damit Jacqueline. Wer möchte da nicht Spitzenhändler sein!
Man merkt schon, hier gehört eine besondere Musik dazu, um diese Welt klingend zu machen. Heiterkeit, Rokoko, silberner, metaphysischer Flö- tenton .... wächst da nicht der Schatten Mozarts auf? Heiterkeit (diese Sonne, die in Tränen blinkt) ist keine Tändelei, heitere Oper ist eine Verpflichtung, die Grimm nicht eingelöst hat. Es war möglich, die Handlung in straff rhythmisierter; pointierter, ja sagen wir musikantischer Spielmusik vorzubringen, statt in breiter Pantomime. So viel Noten auch bemüht sind, es scheint nicht, daß mit dieser Oper dem deutschen heiteren Musikspielplan nur im geringsten aus den Nöten geholfen ist. Aber das muß man anerkennen: den Sängern wird gegeben, was der Sänger ist. Sie können „loslegen" und tun das an den Aktschlüssen mit Wonne, daß die Dekorationen wackeln.
Die hannoversche Opernleitung hatte sich mit Liebe in die Uraufführung hineingekniet. Unter anfeuernder musikalischer Führung von Rudolf Krasselt (die sehr saubere Regie leistete Hans Winkelmann) ersangen sich die Damen A n - nelies Roerig und die immer gleich meister- liche Emmy Sack in den Hauptrollen den wohlverdienten reichen Beifall einer zahlreichen Pre- mieren-Zuhörerschaft. Carl Hnuß als Blondin zeigte sich nicht als Stimmprotz oder Stimm- kanone, sondern als kulturvoller Sänger und Schauspieler. Ihm kann der Komponist dankbar die Hand drücken.
Es wäre schön/wenn die Musikmacher und Dichtersmänner künftig nicht mehr in Vorworten verMern würden, wie gar deutsch sie es ge-
verbandes Oldenburg-Bremen, Pg. Rolosf- Oldenburg, Dr. Schaeffer und Baurat Zieg - ler von der Milchwirtschaftskammer Hannover, Kreisobmann M e y e r - Queckhorn, Stabsleiter K l i n gmann-Verden und Sparkassendirektor Jntemann teil. So ist der Gedanke, endlich auch in Achim eine Molkerei zu bekommen, nunmehr spruchreif geworden. Diese außerordentliche Bauernversammlung erhielt ihre erhöhte Bedeutung dadurch, daß man zum erstenmal Gelegenheit hatt«, Pg. Dr. Körte, Kreisbauernführer (Hannover) in Achim reden zu hören. Bisher noch ungelöste Fragen wurden in schlichter, eindrucksvoller Weise und in durchaus nationalsozialistischem Sinne vom Redner gelöst: Zum Vorwärtskommen, so führte Pg. Dr. Körte aus, gehören Ordnung und Disziplin! Unerläßliche Forderungen im neuen nationalsozialistischen Staat! „Ihr sollt nicht danken, sondern mitarbeiten". Diese markanten Worte bildeten den Abschluß der bedeutungsvollen Versammlung. So ist der Bau einer Molkerei in Achim eine beschlossene Tatsache, und die diesbezüglich getroffenen Maßnahmen, so führte Pg. Dr. Körte aus, würden in jeder Hinsicht nur zum Besten des Bauernstandes sein. Die tatkräftige Mitarbeit aller sei erforderlich.
Verilen
Neuerungen am Dom. Der Präsident der Klosterkammer in Hannover, Stallmann, weilte in Werden, um mit dem Superintendenten Lic. Ear- relts verschiedene geplante Neuerungen im und am Dom zu besprechen. Beschlossen wurde, die Gasbeleuchtung des Doms durch elektrische Beleuchtn ng zu ersetzen. Die Beleuchtungskörper werden zwischen den Pfeilern so angebracht, daß der Blick auf den Chorraum und Altar, der jetzt durch die eisernen Gaskronleuchter behindert ist, frei wird. Der Jnnen- hof des Doms hinter dem Kreuzgang erfährt eine vollständige Umwandlung und wird wieder zu einem Klostergarten mit gärtnerischen Anlagen, während er jetzt zu Gärten für die Wohnungen aufgeteilt ist, die in den ehemaligen Räumen der Lateinschule eingerichtet sind. Diese Wohnungen, die zum Teil leer stehen, sollen wieder kirchlichen Zwecken nutzbar gemacht werden.
Vovkar
Das erste Steinzeitskelett in niedersiichsischem Boden gesunden. Die schon häufig erwähnten Ausgrabungen aufder Königpfalz „W e r - l a" bei Goslar, die unter Leitung des Goslarer Baurats Dr. Becker stehen, führten zur Aufdeckung eines Skeletts eines Hockermenschen, das zur Untersuchung dem Provinzialmuseum in Hannover übergeben wurde. Dieser Fund wurde nunmehr von dem Mitarbeiter des Museums, Dr. Scholl er, untersucht, nach dessen Angabe das hohe Alter des Skeletts schon aus dem Schichtgebilde deutlich hervorging. Die genaue Zeitbestimmung erfolgte durch eine an sich sehr unscheinbare Beigabe, nämlich durch eine zwischen rechtem Arm und Brust gefundene beinerne Krückennadel. Sie hat einen krückenartigen Kopf, dessen beide Enden in kleine Scheibchen ausgehen, eine Form, die nur in dänischen Riesensteingräbern der jüngeren Steinzeit oder im gleichaltrigen Schweizer Pfahlbauten vorkommt und in die Zeit um 2009 v. Chr. gehört.
Vsgessolr
Granat in der Wümme. Seit der Vertiefung der Ilnterweser kommen bei Sturmfluten oft Meeres- Lewohner, die eigentlich nur im Salzwasser leben können, bis in die Flußläufe. In der Höhe von Höftdeich fand ein Bauer, der in der Wümme Netze ausgelegt hatte, Granat in ihnen. Diese kleinen gewandten Schwimmer sind an der Küste der Nordsee beheimatet.
Der Sitz der bäuerlichen Werkschule verlegt. Mit Genehmigung der Landesbauernschast Hannover und unter Zustimmung des Kreisausschusses Lsterholz wird die „Bäuerliche Werkschule und Beratungsstelle" (früher Landwirtschaft-schule!), die bisher immer ihren Sitz in Oste r- Holz-Scharmbeck hatte, für die laufenden zwei Jahre nach Wörpedorf verlegt, um auch Bauernfohnen diesseits der Hamme den Besuch der Vildungsanstalt zu ermöglichen. Der Unterricht beginnt in diesem Herbste am 1. November bei Wiechmann. Die Finanzierung der Werkschule ist durch ein Umlageverfahren sichergestellt. Anmeldungen seitens der Jungbauern nimmt der Direktor der Bäuerlichen Werkschule, Landwirtschaftsrat Zimmermann in Osterholz-Scharmbeck entgegen.
meint haben. Deutsche sind so alte Leute — lernen doch erst reden heute, — wenn sie nun noch lernen wollten — wie recht deutsch sie handeln sollten! Schreibt musikalische Volksstücke, Bolksopern, und das Volk folgt euch gern; euer ist der Erfolg! Uvi.
Paul Ernst's letzte Ruhestätte. Am 6. Oktober fand die Ueberführung der sterblichen Hülle des Dichters Paul Ernst vom Friedhof in St. Georgen (Steiermark) zu der auf eigenem Grund angelegten Gruft statt. Als Platz bot sich dem Schöpfer der Grabanlage, dem Breslauer Bildhauer Theodor von Gosen der schräg gegenüber dem Schloßplatz von St. Georgen sich erhebende, mit den Barockstatuen des Heiligen Johann von Nepomuk und zweier Engel geschmückte und von alten Pappeln bestandene sogenannte Johannes- kogel.
Neuausgaben von Emil Strauß. Zusammen mit dem neuen bedeutenden Roman von Emil Strauß „Das Riesenspielzeug" werden zwei seiner früheren Werke in neuen Ausgaben erscheinen, und zwar „Der Engelwirt. Eine Schwabenge- schichte", die in der ersten Liste der „Sechs Bücher des Monats" als einer der wesentlichen Bücher der älteren deutschen Dichter besonders herausgehoben wurde. Weiter der Novellenband „Hans und Grete", der jetzt endlich, nachdem er über ein Jahrzehnt nur in einer wenig schönen Ausgabe vorlag, in würdiger und schöner Ausstattung dem deutschen Leser dargeboten wird. Emil Strauß' Prosa gehört zu dem Reifsten und Schönsten, was heute überhaupt in deutscher Sprache geschrieben wird.
Heute, 20 Uhr, öffentliches Chorsingen — Gesangverein Visurgis am Haferkamp, Ecke Lutzowerstraße - Bremer Männerchor Germania am Neuen Markt.