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(06/07/1934) Nr. 184
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Freitag, den 6. IM 1934

Bremer Zeitung

Nr. 184 Jahrgang 1934

Die neuen Gozialgesehe

Staatssekretär Dr. Krohn: Line Tat, um die feit Jahrzehnten verschiedene

Regierungen ohne Erfolg gerungen haben

gestaltigkeit es ermögliche, die Sozialversicherung so billig wie möglich zu gestalten.

Der Redner wandte sich dann dem Inhalt des Eesetzes selbst zu, wobei er u. a. ausführte: Das Reichskabinett hat mit der Verabschiedung dieses Eesetzes eine Tat vollbracht, um die seit Jahr­zehnten die verschiedensten Regierungen ohne Er­folg gerungen haben. Der neue Ausbau wird aus den genialen Grundlagen der Bismarckschen Ge­setzgebung errichtet.

Kernpunkt des Eesetzes ist die Zusammenfassung gemeinschaftlicher Aufgaben der Krankenversiche­rung, namentlich auf dem Gebiete der Gesundheits­politik, für den Bereich einer Provinz oder eines Landes und Verbindung dieser zusammengefaßten Krankenversicherung mit der für denselben Bezirk bestehenden Landesversicherungsanstalt der Jnva- liden-Bersicherung. Aus diese Weise seien die Auf­gaben der Krankenversicherung, die zweckmäßiger­weise nicht für eine einzelne Krankenkasse, son­dern für einen größeren Bezirk zu lösen sind (Be­trieb von Erholungsheimen, bevölkerungspolitische Maßnahmen, Rücklage usw.) gemeinschaftlich und im Zusammenwirken mit den Trägern der In­validenversicherung in nachhaltigerer und wirt­schaftlicherer Weise behandelt worden. Die neue Landesversicherungsanstalt als Träger der Inva­liden- und der Krankenversicherung bediene sich der Krankenkassen als der ihrer Weisung unter­worfenen Außenstellen zur Durchführung der Ee- meinschaftsaufgaben der Krankenversicherung und der Invalidenversicherung; im übrigen bleiben die Krankenkassen aber selbständige Versicherungs­träger.

Durch die Person des beamteten Leiters wird die Verbindung einerseits mit dem Eemeinde- unfall-Versicherungsverband, andererseits mit der Landes- oder Provinzialverwaltung hergestellt. Weitere Aufgaben auf dem Gebiete der Sozial­versicherung können später der Landesversicherungs­anstalt zugeteilt werden.

Die Ersatzkassen der Krankenversicherung, die bisher außerhalb der Sozialversicherung standen, werden in die Sozialversicherung eingebaut, die Ersatzkassen der Angestellten-Versicherung beseitigt. Für ein engeres Zusammenwirken der besonderen Versicherungsträger für die Bergleute und See­leute sind Ermächtigungen vorgesehen.

Unter Fortfall der Landesversicherungsämter wird das Reichsversicherungsamt alleinige oberste Behörde der Sozialversicherung: auch die Auf- sichtsbcfugnisse über die Reichsversicherungsanstalt für Angestellte, die Reichsknappschaft und die

Reichsbahnarbeiter-Pensionskassen gehen aus das Reichsversicherungsamt über.

Führergrundsatz

Der Parlamentarismus bei den Versicherungs­trägern wird beseitigt. Verantwortlich ist überall ein Führer, dem ein Beirat mit grundsätzlich be­ratender Stellung zur Seite tritt.

Die Aufsicht wird straff zusammengefaßt und auf besonders wichtige Fragen der Zweckmäßig­keit erstreckt. Dabei macht aber das Gesetz den Aufsichtsbehörden zur Pflicht, in das Eigenleben und die Selbstverantwortung der Versicherung?, träger nicht unnötig einzugreifen.

Die Beiträge zur Sozialversicherung werden - abgesehen von der Unfallversicherung gleich­mäßig auf Arbeitgeber und Arbeitnehmer ver­teilt/ die Durchführung eines einheitlichen Bei. tragseinzuges für Kranken- und Rentenversiche­rung soll versucht werden. 2n den Krankenver. sicherungen sollen Verschiedenheiten an Beiträgen und Leistungen, soweit sie ungerechtfertigt sind, durch eine gewisse Eemeinlast ausgeglichen werden. Das Gesetz legt nur die großen Grund­linien fest; vor der Inkraftsetzung wird eine An­zahl von Durchführungsverordnungen voraus­gehen müssen.

Weiti-eichende Vollmachten

Das Gesetz über wirtschaftliche Maßnahmen wird jetzt veröffentlicht. Es hat folgenden Wort­laut:

1 .

1. Der Reichswirtschastsminister wird ermächtigt, innerhalb seines Geschäftsbereiches alle Maß­nahmen zu treffen, die er zur Förderung der deut­schen Wirtschaft sowie zur Verhütung und Be­seitigung wirtschaftlicher Schädigungen für not­wendig hält. Soweit die Maßnahmen auch in den Geschäftsbereich eines anderen Neichsministers fallen, werden sie im Einvernehmen mit diesen ge­troffen.

2. Die aus Grund des Abs. 1 getroffenen Maß­nahmen können von bestehenden Gesetzen ab­weichen.

2 .

Der Reichswirtschaftsminister kann bestimmen, daß Zuwiderhandlungen gegen die von ihm er­lassenen Vorschriften mit Gefängnis und Geld­strafe oder mit einer dieser Strafen bestraft wer­den. Das Höchstmaß der Geldstrafe ist nicht be­schränkt.

3.

Dieses Gesetz tritt mit seiner Verkündung in Kraft. Es tritt mit Ablauf des 30. September 1934 außer Kraft.

Königs angeknüpft wurde der Staat schasst den Bürger, nicht der Bürger den Staat, wie es Rousseau glauben machen wollte! das ergab sich gleichfalls mit zwingender Notwendigkeit aus der Staats­auffassung des Führers.

Erst unter diesem Gesichtspunkt einer Ver­wirklichung der völkischen Staatsidee, die mit Platons geforderter Realisierung der Idee des Guten" wesensverwandt ist, ge­winnt das im Dezember vorigen Jahres be­schlosseneGesetz zur Sicherung der Ein­heit von Partei und Staat" seine weittragende politisch-historische Bedeutung. Erst unter diesem Gesichtspunkt vermögen wir aber auch die am 30. Juni nieder­geschlagene Revolte vom Treuebruch der erschossenen SA.-Führer ganz abgesehen als ein verbrecherisches Abirren einzelner vom Weg der Nation zu erkennen. Adolf Hitler hat einmal selbst vom Recht auf Revolution, von derPflicht zurRebellion gesprochen. Er bejaht die­ses Pflicht-Recht nur für den Fall, daßdurch die Hilfsmittel der Regierungsgewalt ein Volkstum dem Untergang entgegengeführt wird". Staatsautorität als Selbstzweck, so stellt der Führer fest, kann es nicht geben, und nur in der Erfüllung seiner volks- bewährenden Aufgabe besitzt der Staat seine Legitimation. Diese vom Führer ausge­sprochene Voraussetzung der Revolution ist inneres Gesetz auch für alle Kämpfer, die unter Einsatz ihres Lebens den Staat miterobern halsen. Da am 30. Januar der Aufbau des völkischen Staates, wie bereits betont, tatsächlich mit unerhörtem Elan begann und von Tag zu Tag der Vollendung näher rückt, steht ein

Recht auf Revolution nur dem Führer zu. Die Rebellion war also auch vom historisch- staatspolitischen Standort aus ein Ver­brechen, und die Rebellen mußten genau so rücksichtslos bestraft werden, wie einst auch Friedrichs des Großen Freund Katte die ganze Strenge des preußischen Staats­gründers traf.

Setzte der 30. Juni ferner den verhängnis­vollen Begriff derOpposition aus Kampf­geist heraus" praktisch außer Kurs, so brachte er auf der anderen Seite einer vom Zeit­punkt der Machtübernahme an datierenden positiven Entwicklung das Endergebnis: Die Totalität des national­sozialistischen Staates, die grundsätzliche Identität von Be­wegung und Staat wurde Wirk­lichkeit. Das Volk ist nicht nur Stütze und Träger des Staates, es ist sein Nährboden geworden. Der Führer hat nicht zuletzt d i e Volksgenossen zur Ordnung gerufen, die zum Teil aus einer gewissen Denkträgheit heraus noch immer ein stillschweigendes Gegen­über von Partei und Staat, von Bewegung und Regierung voraussetzten. Dieser Irrtum wird in Zukunft auch keinem psychologischen Verständnis mehr begegnen.

UnserStaatlebtin uns; niemand, der zur nationalsozialistischen Volksgemein­schaft gehört, kann sich seiner Forderung nach unbedingter Disziplin entziehen; autonome Sonderbereiche wird er nie anerkennen. Die Pflicht jedes einzelnen ist es, sich in diesem Staat, wie es Novalis sagt, zum Tätigsten aller Wesen zu machen. Der Führer, die Verkörperung des völkischen Staates, wird einst auch uns zur Rechenschaft ziehen.

Berlin, 8. Juli.

Der Staatssekretär im Reichsarbeitsministerium Dr. Krohn sprach am Donnerstag vor Presse­vertretern über die am Dienstag verabschiedeten Sozialgesetze. Er ging zunächst auf Las Gesetz über Kleinrentnerhilfe ein, zu dem er u. a. folgendes ausführte:

Ungeachtet aller Versprechungen waren die früheren Regierungen nicht imstande, den auf die öffentliche Fürsorge angewiesenen Kleinrentnern eine fühlbare Erleichterung zu verschaffen. Die Aufbauarbeit der nationalsozialistischen Regierung auf allen Gebieten kommt in ihrer Auswirkung gerade auch den alten und erwerbsunfähigen Volksgenossen zugute, die früher durch ihre Arbeit zum Ausstieg Deutschlands beigetragen und später unverschuldet infolge der Geldentwertung den Ertrag ihrer Arbeit und Sparsamkeit verloren haben. Das Gesetz über Kleinrentnerhilfe bringt für sie wichtige Verbesserungen. Die wichtigsten Bestimmungen des Eesetzes sind folgende:

Die Kleinrentnerhilfe erhalten alte oder er­werbsunfähige Personen, die hilfsbedürftig sind und nachweislich am 1. Januar 1918 ein Kapital­vermögen von mindestens 12 000 Mark oder einen Rechtsanspruch auf eine lebenslängliche Rente von jährlich mindestens 800 Mark besaßen, sofern Las Vermögen oder der Nentenanspruch der Geld­entwertung zum Opfer gefallen ist. Die fürsorgs- rechtlichen Vorschriften gelten im übrigen auch für die Durchführung der Kleinrentnerhilfe, jedoch mit folgenden Vergünstigungen:

Der Empfänger der Kleinrentnerhilfe, sein Ehe­gatte oder seine Eltern sind nicht verpflichtet, dem Fürsorgeverband die Kosten der Kleinrentner- hilfe zu ersetzen! Sicherheiten, die in diesen Fällen für den Ersatz der bisherigen Fürsorgekosten schon gestellt worden sind, werden freigegeben. Auch die nächsten Erben des Empfängers der Klcin- rentnerhilfe sind von der Verpflichtung zum Ersatz der Fürsorgekosten befreit. Die allgemeinen für- sovgerechtlichen Vorschriften über Arbeitspflicht und Arbeitszwang gelten nicht für die Klein­rentnerhilfe.

Die Richtsätze für Empfänger der Kleinrentner­hilfe müssen um wenigstens K über dem Richtsatz der allgemeinen Fürsorge liegen. Die Anrechnung von Aufwertungs- und Arbeitseinkommen ist wesentlich gemildert worden. Endlich wird be­stimmt, daß die Hilfsbedllrftigkeit der Empfän­ger der Kleinrentnerhilfe nur in größeren Zeit- abständen (alle zwei Jahre) nachgeprüft wird.

Das Gesetz tritt am 1. September 1934 in Kraft. Für Personen, die von den Fürsorge- verbänden als Kleinrentner betreut werden, aber die besonderen Voraussetzungen dieses Gesetzes nicht erfüllen, bleibt es bei den bisherigen Vor­schriften der Kleinrentnerfürsorge.

Zum Gesetz über den

Ausbau der Sozialversicherung betonte Staatssekretär Dr. Krohn, es solle ver­sucht werden. Lurch einen Umbau der Sozial­versicherung, diese so rational!, klar und über­sichtlich zu gestalten, Laß diese veränderte Ge­staltung auf den Eesamthaushalt der Sozial­versicherung einwirke. Die Sozialversicherung sei bereits zweimal in ihren Grundlagen erschüttert worden, durch die Inflation und durch die jetzige Krisenzeit. Die Prüfung habe aber erwiesen, Laß vermöge der sittlichen Grundlagen, die der Sozialversicherung zugrunde liegen, diese Ver­sicherung nach unseren heutigen Anschauungen die beste Form der Fürsorge für den arbeitenden Menschen gegen die Wechselfälle des Lebens sei. Der heutige Staat verlange von jedem einzelnen, daß er, soweit es irgend- möglich in seinen Kräften stehe, selbst vor­beugend wirke. Dazu erziehe ihn die Sozialver­sicherung am besten. Die nunmehr eingeleitete Reform stelle den Staat in den Hintergrund. Er greife nur dann ein, wenn die zusammenge­faßten Kräfte der Gemeinschaft der Versicherten nicht mehr ausreichten.

Die Reichsregierung habe also mit Recht das Weiterbestehen der Sozialversicherung bejaht und sich lediglich mit dem äußeren Aufbau befaßt. Es werde versucht, die Eigenverantwortlichkeit eines jeden Versicherungsträgers zu erhalten, aber die einzelnen Versicherungsträger würden zu einer Einheit nach oben geführt und als Einheit von oben geleitet, ohne daß die Selbstverantwortlichkeit und Verantwortlichkeit des einzelnen Versiche­rungsträgers dadurch ertötet werde. Die Vor­züge dieser Gliederung lägen in der großen Nähe der Versicherten und ferner darin, daß die Viel-

Kmderlvö kein Volle» mehr

Berlin, 5. Juli.

Nach der Verabschiedung des Reichsgesetzes über die Vereinheitlichung der Eesundheitsbetreuung und die Schaffung von Gesundheitsämtern sind die Ausführungen von besonderem Interesse, die der Leiter der Eesundheitsabteilung im Reichs­innenministerium, Ministerialdirektor Dr. Eütt, in einem Vortrag über den weiteren Ausbau der Gesundheitspolitik machte! Der Referent be­tonte u. a., daß wir erst in den Anfängen einer gesunden Vevölkerungspolitik ständen. Ehestands­darlehen, Siedlungspolitik, Erbhofgesetz usw. stän­den erst am Beginn. Die Hauptaufgaben aber müßten noch gelöst werden.

Auf dem Gebiete der sozialen Gesetzgebung sei noch manches umzugestalten. Das übersteigerte Versicherungswesen habe Len Lebenswillen des einzelnen getötet und zerstörend auf den Familiensinn gewirkt: Wir müßten wieder dahin gelangen, daß es sich nicht mehr lohne, kinderlos zu bleiben. Die Mitarbeit von Kindern müsse wieder von Nutzen für den Bestand der Familie sein. An die Stelle der Altersversorgung durch soziale Versicherungen müßten wieder wie früher die Unterhaltspflichten der Kinder für ihre Eltern treten.

Die Spätehe des Gebildeten, die weitaus stär­kere Vermehrung der Untüchtigen und die be­denkenlose Vermischung mit Fremden, wie auch Irrwege der medizinischen Wissenschaft seien Ur­sachen der Entartung in der Vergangenheit. Bei einer Erörterung der Gründe für die Geburten­beschränkung stellte der Ministerialdirektor fest,

daß wir einen jährlichen Fehlbetrag von 300 000 Säuglingen hätten und daß uns etwa 10 Mill. Kinder unter 18 Jahren fehlten.

Doumei-gue öroht dem Senat

Paris, 8. Juli.

Der Senat verabschiedete am Freitag die Steuerreform-Vorlage in der von der Kammer angenommenen Fassung, so daß sie damit Gesetzes­kraft erlangt. 2m Verlauf der Aussprache über die neue Umsatzsteuer, die bereits zu Kritik in der Kammer Anlaß gegeben hatte, erklärte Mi­nisterpräsident Doumergue, Latz er nicht auf sei­nem Posten bleiben werde, wenn ihm der Senat in dieser Frage das Vertrauen versage. Er sei der Ansicht, daß mit dem Plan für die Notstands- arbciten, der vielleicht heute oder morgen vor den Senat komme, der erste Teil des Aufbau­programmes als' abgeschlossen gelten dürfe. In parlamentarischen Kreisen rechnet man damit, daß die Parlamentstagung noch in dieser Woche ge­schlossen werden kann.

Verlas un<1 Druck: Bremer weitaus Verlssasssellsebstt m b 6. VerlasscNrektorr Dr. Martin Aede, Diemen. Dsvolsekriktleiter: K r s u r K rr o r r.

8teIIverireLei lloäolk U tt l l e r. Ollel vom Dienst.: k o r 1 ^ « sf e Verantwortlich kür Lo6en-

nolitik: k i 6 c l f il j l e r; kür Innenpolitik:

Kurt leexe. kür ^Virtscrllsktspolitik. Barmei onci 8oüiksaürt- Dr. B. D e i n r i e k Driukmsnu; kür Bremisches» Allgemeines uv6 H-elwsiüeilage: X. L ü e ü m s n n - K e ! t 2 ; kür Provinz i. V.: K. k. 8 e lr m ' ü t: kür Kulturpolitik unü Unter-

Haltung: i. V.: Krans Knorr; kür Sport: Kurt T'eege; kür Dswegung: Krans knorr; sämtlich In Bremsn.

Verantwortliche! kn^eigenleiter: Kurt L. Beine» Bremen. D./^.VI. 34: 33 397. kür unverlangt eingesandte Lkanuskripte wir6 keine Oewükr übernommen.

HetzMgen über

angeblichen deutschen Bakterienkrieg

phantastische Schwindelmanöver des Wickham Gleed

Berlin, 8. Juli.

Es gibt immer noch Leute im Ausland, die ihre Aufgabe darin erblicken, durch allerlei Schwindelmanöver, und seien sie noch so phan­tastisch und unglaubwürdig, Deutschland in Miß­kredit zu bringen und zu verdächtigen. Ein be­sonders starkes Stück hat sich unlängst der berüch­tigte englische Journalist Wickham Steed ge­leistet. Er hat in Pariser und Londoner Zei­tungenEnthüllungen" verbreitet, denen zufolge Deutschland angeblich seit Jahren den bakterio- logischen Krieg vorbereite, und daß Geheim­agenten bereits in London und Paris Versuche angestellt hätten, auf welche Weise es möglich sei, auf den Untergrundbahnen der Leiden Hauptstädte Angriffe mit Bakterien durchzu­führen. Die Veröffentlichungen von Wickham Steed gingen jedenfalls darauf hinaus, weiteste englische und französische Kreise davon zu über­zeugen, daß Deutschland im Ernstfall« seine Feinde mit tödlich wirkenden Bazillen vernichten wolle.

Obwohl das Phantastische und Unsinnige dieser Behauptungen ohne weiteres klar ist, hat sich doch ein englischer Abgeordneter namens Erattan- Doyle gefunden, der die Aufmerksamkeit der englischen Regierung auf diesedeutschen Pläne" glaubte lenken zu müssen und der die Angelegen­heit zum Gegenstand einer offiziellen Anfrage im englischen Unterhaus gemacht hat. Aber nicht nur das: der stellvertretende englische Minister­

präsident Baldwin hat diese Anfrage allen Ernstes beantwortet. Er erklärte, daß ihm der Artikel bekannt sei, daß er aber offiziell von der deutschen Regierung dementiert worden wäre. Im übrigen sei dieVerwundbarkeit" der Londoner Unter-

Nudolf Heß an Lutze und Himmler

Flensburg, 8. Juli.

Der Stellvertreter des Führers hat an Viktor Lutze, Chef des Stabes der Obersten SA.-Führung, folgendes Telegramm gesandt:

Lieber Pg. Lutze! Namens der zu einer Amtstagung hier zusammengekommenen Reichs­leiter und Gauleiter der NSDAP. wünsche ich Ihnen für Ihr schweres Amt und zur Durch­führung der Ihnen vom Führer gestellten Auf­gaben vollste Arbeitskraft zum Erfolg. In Ihrem Streben um die Erhaltung des geschichtlichen Rufes der SA. als ein treues und schlagkräftiges Instrument in der Hand des Führers finden Sie die Unterstützung von uns allen. Dies um so mehr, als wir überzeugt sind, daß die SA. bis

grundbahnstationen ein Gegenstand dauernder Bewachung der Regierung. Weiteres zu erklären lehnte Baldwin ab.

Diese Antwort muß immerhin merkwürdig be­rühren. Baldwin hätte sicher besser daran getan, wenn er schon sich auf eine Diskussion darüber einließ, eine konkrete Antwort zu geben. Wenn er auch auf das Dementi der deutschen Regierung hinwies, so hat er doch dadurch, daß er von der Verwundbarkeit der Londoner Untergrundbahn­stationen sprach, weiteren Kombinationen über den angeblichen Bakterienkrieg weitesten Spiel­raum gelassen. Tatsächlich liegen die Dinge doch so, daß namhafte Wissenschaftler die Möglichkeit eines Lakteriologischen Angriffs durchaus abge­lehnt haben. Erst kürzlich ist vom Pasteur-Jnstitut in Paris festgestellt worden, daß bei dem augen­blicklichen Stand der Wissenschaft ein Bak­terienkrieg aus technischen Gründen ni cht du r chsüh rb a r ist. Auch der Vorstand des Kopenhagener Laboratoriums, Dr. med. Wilhelm Jensen, ist gleichfalls zu dem Ergebnis gekom­men, daß die Behauptung über einen Bakterien- angriff reiner Unsinn sind.

Man kann nicht annehmen, daß diese wissen­schaftlichen Gutachten irgendwie zugunsten Deutschlands gefärbt sind. Im Gegenteil! Umso erstaunlicher ist es, daß Baldwin sich nicht dazu aufraffen konnte, die Lügen Wickham Steeds beim rechten Namen zu nennen und sie als das zu be­zeichnen, was sie sind, nämlich ein gemeiner Schwindel, lediglich zu dem Zweck, die englische Öffentlichkeit wahrscheinlich im Zusammen­hang mit dem Besuch des französischen Außen­ministers Barthou in London gegen Deutsch­land zu alarmieren.

zum letzten Mann ihre Ehre darin setzen wird, die Flecken, die hier und dort auf dem Schild der SA. blieben, zu beseitigen. Wir wissen auch, daß der alte SA.-Mann, dessen Kampf und Opfer die nationalsozialistische Bewegung hat großmachen helfen, unberührt geblieben ist von dem Treiben der Verräter und nach wie vor Achtung und Dank des deutschen Volkes verdient.

Heil Hitler!

Ihr Rudolf Hetz.

An den Reichsführer der SS., Himmler, hat der Stellvertreter des Führers folgendes Telegramm gerichtet:

Die hier versammelten Reichsleiter und Gau­leiter gedenken mit mir der Leistungen unserer SS., die unter Ihrer Führung in vergangenen schweren Tagen ihre Opferbereitschaft und Treue aufs neue bewiesen hat. Ihr Rudolf Heß.

Italiens Ramps gegen die Rrise

(Von unserem stsnckigsn LsriolitsrstaNsr)

Dr. Bi. Mailand, den 8. Juli.

In Italien hat sich in den letzten Monaten ein gewisser wirtschaftlicher Pessimismus geltend ge­macht. Zu Beginn des Jahres zeigten die ita­lienischen Börsen feste Haltung. Die allgemeine Zinsverbilligung stärkte diese Tendenz. Bis die große Konversion der fiinfprozsntigen Staats­papiere in dreieinhalbprozentige die erste Er­schütterung brachte. Mit der immer stärkeren Verfolgung des deflationistischen Kurses aber, der Mitte April in der Senkung der staatlichen Ge­hälter und Mieten seinen besonderen Ausdruck fand, setzte an den Börsen mithervorgerufen durch Miesmachergerüchte, die von weiteren den Sparer treffenden Regierungsmaßnahmen (wie Einführung der Namensaktie, Kouponbesteuerung, neue Anleihen usw.) wissen wollten eine ge radezu panikartige Stimmung ein.

Kategorische Erklärungen des Finanzministers Jung imPopolo d'Jtalia" daß solche Maß­nahmen nicht geplant seien, daß die Wirtschaft vielmehr eine lange Periode der Ruhe brauche, wirkten nur für wenige Tage. Tann wiederum ! trat ein neuer Rückschlag ein. Das Vertrauen dos Sparers, von dem der italienische Wirtschafts- aufüau in erster Linie getragen wird, schwankte bedenklich.

Bei dieser Sachlage trat Ende Mai Mus­solini aus den Plo n. nm durch eine eingehende ungeschminkte Darstel­lung Einblick in die Verhältnisse zu schaffen und das Vertrauen wiederherzustellen. Der Sparer, sagte er im Verlauf seiner großen Kammerrede, habe eine ganz besondere Psychologie; es sei nötig, daß man

Oel auf das bewegte Wasser gieße, damit ein jeder der Sparer seine Ruhe wieder gewinne. Und so arbeitete Mussolini mit souveräner Mei­sterschaft in seiner einprägsamen, wirkungsvollen Art aus einem Wust trockener Statistiken und nüchterner Zahlen ein lebendiges Bild der wirt­schaftlichen Lage Italiens heraus.

Zwei Dinge sind es, die der Chef der italie­nischen Regierung als die Lebensprobleme des italienischen Wirtschaftslebens bezeichnete: Staatshaushalt und Außenhandel.

Bereits bei Eröffnung der neuen Legislatur­periode, vor wenigen Wochen, hatte der König von Italien in seiner Thronrede ausgeführt, daß die Lösung des Vilanzpvoblems keinen Auf­schub mehr dulde; denn mit ihm seien die Ge­schicke der öffentlichen und privaten Finanzen eng verknüpft. Hier setzt jetzt Mussolini ein: wie die Familie, so könne auch der Staat nicht von dauernden: Schul­de n m a che n leben. Beide müßten zur rechten Zeit geeignete Abhilfemaßnahmen treffen.

Der italienische Staatshaushalt ist seil s langem äußerst angespannt. Im Jahre 1932/33 ! wies er einen Fehlbetrag von 314 Milliarden Lire ^ auf. Das Defizit des im Juni abgeschlossenen Haushaltsjahres 1933/34 beträgt nahezu 4 Milliarden Lire. Das ist die höchste Summe, die abgesehen von der Kriegs­und unmittelbaren Nachkriegszeit - jemals in der Finanzgeschichte des König­reiches ausgewiesen werden mußte. Der Staatshaushalt ist belastet durch ungeheure Summen, die für Sanierungen, Stützungen und Hilfsmaßnahmen auf den verschiedensten Wirt­schaftsgebieten aufgewendet worden sind.

Ein nicht weniger trostloses Bild bietet die Lage des Außenhandels. Es geht mit ihm ständig bergab. Im Jahre 1928 importierte Italien für 22,3 Milliarden Lire Waren; es exportierte für 18 Milliarden Lire. 2m Jahre 1933 sank die Einfuhrziffer auf 7,4 Milliarden Lire, die Ausfuhrziffer auf 6 Milliarden Lire. Die Entwicklung im Jahre 1934 läßt ein Passi­vum von rund 3 Milliarden Lire voraussehen. Damit entschwindet jede Hoffnung auf erhöhte Steuer- und Zolleingänge. Zwei Gefahren also von größter Schwere, die sich am wirtschaftlichen Horizont immer schärfer abzeichnen.

Die Golddeckung der Währung liegt zwar immer noch 13 Prozent über dem gesetzlich vor­geschriebenen Mindestmaß von 40 Prozent. Aber die Tatsache, daß in den letzten Monaten bereits über 700 Mill. Lire ins Ausland gingen, läßt leicht die Gefahren erkennen, die der Währung durch diese Entwicklung entstehen können, wie man denn auch in Erkenntnis dieser Zusammen­hänge jetzt erstmalig in Italien zu einer strafferen Devisenbewirtschaftung geschritten ist.

Wie mithin den Gefahren boi- kommen? Das einst in Deutschland so beliebte Mittel, jedes Loch im Staatshaushalt durch ver­schärftes Andrehen der Steuerschraube zu ver­schließen. wird von Italien grundsätzlich abgelehnt. Auf der Wirtschaft laste, so erklärte Mussolini, ein Steuerdruck, der schlechthin nicht mehr erträg­lich sei, sonder:: gelockert werden müsse. Bleibt also nur der andere Weg: sparen. Die große Konvorsionsoperation der fiinfprozentigen Rente» in dreieinhalbprozentige liegt bereits auf diese: Linie. Sie bringt dem italienischen Staat vom Jahre 1937 ab eine Minderbelastung a u s d i e d r i g e r e n Z i n s e:: in Höhe von 900 Mill. Lire. Weitere 410 Mill. Lire worden iährlich durch die jüngst erfolgte allgemeine Ge­hältersenkung eingespart. Bereits im Jahre

1030 hatte diese Eehältersenkung eine Vorläufern: gehabt in einer Maßnahme, die sämtliche Beamtengehälter um zwölf Prozent kürzte. Die jetzt getroffenen Maßnahmen sehen eine gestaffelte Senkung in Höhe von sechs bis zwölf Prozent bei allen mittelbar oder unmittelbar im Staatsdienst stehenden Personen vor, deren Monatsgehalt über 800 Lire (110 RM.) beträgt. Gleichzeitig mit den Gehaltskürzungen ist eine Senkung der Mieten für Wohnungen um zwölf Prozent, für sonstige Räume um 18 Prozent, sowie der Lebensmittel um einen zwischen fünf und zehn Prozent schwankenden Satz verfügt worden. Gas-, Wasser- und Elektrizitätswerke haben Preisnachlasse eingeräumt, und eine weit­gehende Minderung der Kosten auf allen anderen Gebieten ist unter der Aufsicht der faschistischen Partei eingeleitet.

Diese deflationistischen Maßnahmen sollen in bohem Maße natürlich auch das zweite Problem, den Außenhandel, befruchten. Denn Mussolini hat neben den vielfachen Gründen, die er als allgemein und überall ursächlich für die Schrumpfung des internationalen Warenaus­tausches ansieht, noch einen Grund genannt, der ein speziell italienisches Exporthindernis dar­stelle: Das Mißverhältnis zwischen

inneren Preisen und den Preisen des Weltmarktes.

Seit der klassisch gewordenen Pesarorede im Jahre 1926, in der der Duce verkündete, daß er die Lira bis zun: letzten Atemzug verteidigen werde, sind Maßnahmen zur Förderung des Exportes von der Währnngsseite her nicht zu 'rwarten Zur Autarkie aber will und kann Italien bei feiner Rohstofsarmut sich nicht bekennen. Kohle, flüssige Brennstoffs, Wolle, Baumwolle und Eisen werden bei allem Bestreben, sich im eigenen Lande Rohstoff« oder Rohstoff- ersatz zu schaffen, vorerst noch zu den unumgänglich notwendigen Materien der Einsuhr zählen.

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Diese Einfuhr kann aber nur durch einen Export bezahlt werden, der angesichts von mit Valuta entwer­tn ng und Dumping arbeitenden Konknrrenzländer nur bei niedrig­sten Selbstkosten wettbewerbsfähig sein kann. Aus dieser Erkenntnis heraus hat die italienische Industrie in den letzten Tagen weitgehende Lohnsenkungen, die durchweg sieben Prozent betragen, durchgeführt. Ueber die sonstigen Maßnahmen der italienischen Regierung zur Förderung der Ausfuhr, ins­besondere auch über die Tendenz nach völliger Umkrempelung der bisherigen Handelspolitik mit dem Ziel der Schaffung von Eroßraumwirtschaften und ausgeglichenen Handelsbilanzen ist in letzter Zeit in der deutschen Presse häufig berichtet worden.

Mussolini hat in seiner Rede betont, daß die Maßnahmen, die zur Gesundung führen sollten, vm: allen Staatsbürgern große Opfer erforderten; er begründete aber diese Opfer mit dem Hinweis darauf, daß nur so der Kampf auf den inter­nationalen Märkten bestanden werden könne, dessen Sieg auch den jetzt arbeitslosen Italienern Arbeit schenken könne. Es sei aber besser, daß möglichst viele Italiener mit weniger Lohn in Arbeit ständen, als daß zugunsten einzelner Arbeiter ein großer Teil ohne Arbeit bleibe. Nur mit Heroismus sei die Krise zu bekämpfen.

Fallerslebens Geburtshaus zwangsversteigert

Vor den: Amtsgericht in Fallerslebcn wurde das Geburtshaus des Dichters Hoffmani: von Fallersleben, des am 20, Januar 1874 gestorbe­nen Schöpfers des Deutschlandliedes, zwangsver­steigert. Die Brauerei Feldschlößchen in Braun­schweig blieb mit rund 40 000 RM. meistbieteno. Am 26. Juli wird der Zuschlag erteilt.

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