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VI« Reichsfinanzreform
Verschuldet habe, sondern der Widerstreit der politischen Meinungen; dem entspreche auf der andern Seite der Wunsch, nun endlich aber ganze Arbeit zu machen.
Was die Stellungnahme der Parteien zu den einzelnen Steuern, insbesondre zu den direkten und indirekten Steuern, betrifft, so hat auf diesem Gebiete die Debatte an Schärfe nicht nachgelassen. Noch immer betont die Linke die Schädlichkeit der Verbrauchssteuern, die Rechte die Gefahr, die mit direkten Reichssteuern verbunden wäre. Doch ist zu beobachten, wie auch auf diesem Gebiete bei dem Ernste der Finanznot die einigenden Ideen in den Vordergrund getreten sind. Das von der Reichsregierung aufgestellte Prinzip, man müsse bei der Finanzreform sowohl den Verbrauch wie den Besitz besteuern, findet fast in sämtlichen ernsten politischen Zeitungen einen Widerklang und wohlwollende Aufnahme. „Da es ebenso ausgeschlossen ist, den Bedarf ausschließlich durch indirekte wie ausschließlich durch direkte Steuern zu beschaffen, so bleibt eben nichts übrig als eine der Gerechtigkeit entsprechende, der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit angepaßte Verbindung direkter und indirekter Steuerformen." (Vossische Zeitung vom 2. Oktober 1908.) Auch die Absicht der Reichsregierung, jede Sondergewerbesteuer auszuschalten und die Steuern lediglich der Allgemeinheit, nicht dem Gewerbe aufzuerlegen, indem die Verbrauchssteuern nicht vom Fabrikanten oder dem Händler, bei dem sie erhoben werden, sondern von dem Konsumenten getragen werden sollen, findet rechts und links Anklang. Dieselbe Annäherung, wie sie für die Verbrauchssteuer zwischen den politischen Richtungen festzustellen war, ist bei den Abgaben auf den Besitz nicht wohl möglich. Hier stehn sich die politischen, ethischen und föderalistischen Anschauungen noch zu unmittelbar gegenüber, als daß es bisher möglich gewesen wäre, ein allgemeines Prinzip zu finden, innerhalb dessen nur noch die technischen Fragen unerörtert blieben. Aber auch hier wird ein Fortschritt anerkannt. Keine Partei wagt heute zu bestreiken, daß eine große Finanzreform nicht gemacht werden könne, ohne auch den Besitz heranzuziehen. Das soziale Empfinden hat in dieser Richtung Fortschritte gemacht, die vom ethischen Standpunkt aus nur freudig zu begrüßen sind.
Im zweiten Kapitel des Bandes wird dann die wirtschaftliche Bedeutung der Reichsfinanzreform dargelegt und zunächst das Interesse aller Erwerbsstände an ihr erörtert. Im Anschluß an die Ausführungen der Denkschrift zur Vorlage wird darauf hingewiesen, daß durch die infolge der planlosen Anleihewirtschaft herbeigeführte Steigerung des Zinsfußes alle Anlage- und Betriebskredit benötigenden Produzenten in Landwirtschaft, Industrie und Handel, ferner auch die Gemeinden und sonstige in wirtschaftlicher Entwicklung begriffne öffentliche Körperschaften in Mitleidenschaft gezogen werden. Es unterliegt keinem Zweifel, daß ein der-