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Vom Strafmaß
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vom Strafmaß

seiner Weisheit Schluß ungefähr in folgende Worte zusammen:Lieber Kollege, die Frage nach dem Strafmaß ist einfach eine Frage des Taktgefühls, Mehr kann ich Ihnen nach fünfundzwanzigjähriger Dienstzeit anch nicht sagen. Be­antragen Sie ganz ruhig, was Ihnen richtig erscheint. Sie werden das schou bald heraushaben. Es wird nicht lange dauern, dann wissen Sie ganz genau, wie die einzelnen Abteilungen des Schöffengerichts und die verschiednen Straf­kammern zu urteilen pflegen, und dann richten Sie sich einfach danach. Die Hauptsache ist, daß Sie sich nicht übcrhanen lassen; das ist natürlich unan­genehm, wenn das Gericht über das Strafmaß, das man beantragt hat, hin­ausgeht. Anfangs wird es Ihnen vielleicht etliche mal passieren, Sie werden es aber bald vermeiden lernen. Im übrigen können Sie innerhalb des gesetz­liche!? Strafrahmens beantragen, was Sie für angemessen halten; begründen läßt sich schließlich alles, nnd das Richtige zu treffen ist, wie gesagt, nur eine Frage des Taktes."

Ich war damals von meiner jungen Würde viel zu sehr eingenommen, als daß ich mir darüber hätte klar werden können, eine wie klägliche Rolle in dieser Instruktion dem Strafantrage der Staatsanwaltschaft zugewiesen wurde, und überhaupt hinderte mich damals die innige Verehrung, die ich für meinen Vorgesetzten hegte, an seine Worte die kritische Sonde zu legen; ich tat dies auch dann noch nicht, als gleich in dieser ersten Sitzung, deren Vor­bereitung meine Frage nach dem Strafmaß veranlaßt hatte, zwei Fälle vor­kamen, bei denen ich mir furchtbar taktlos erscheinen mußte, da mein Vorrat anTakt" durchaus nicht hinreichte, mir unzweideutig zn sagen, welches Wohl das richtige zu beantragende Strafmaß sei. Eine Frau, die Mutter von fünf kleinen Kindern, hatte im harteu Winter einige Stücke Kohlen im Werte von zwei bis vier Pfennigen, die von einem durch die Straße fahrenden Kohlen­wagen heruntergefallen waren, aufgehoben und in ihre Schürze gepackt, um sie zuhause zu verbrauchen. Als sie aber sah, daß der neben dem Wagen gehende Eigentümer der Kohlen sie beobachtet hatte und zu einem an der Straßen­kreuzung stehenden Schutzmann hinantrat, ging sie auf ihn zn und bot ihm die Kohlen an. Die Frau weinte in der Verhandlung unaufhörlich und war geradezu unangenehm gestündig, indem sie nicht nur den Sachverhalt voll­ständig zugab, sondern auch alle Fragen, mit denen der Vorsitzende und ich muß gestehn auch ich ihr herauszuhelfen suchten, in dem für sie ungünstigsten Sinne beantwortete. Sie bejahte die Frage, ob sie die Kohlen wirklich habe für sich behalten wollen, sie erklärte, daß sie wohl gewußt hätte, daß sie die Kohlen nicht Hütte wegnehmen dürfen, und daß sie diese keineswegs für herren­loses Gut oder für wertlos gehalten habe. Mit Schaudern sah ich den Augen­blick herankommen, wo ich gegen die Frau dasSchuldig des Diebstahls" und damit zugleich eine Strafe beantragen mußte. Daß es sich hier nur um die gesetzlicheMindeststrafe" handeln konnte, war freilich klar, aber auch diese war für den vorliegenden Fall barbarisch hart: eine unbescholtne Mntter eines Säuglings und vier andrer kleiner Kinder anch nur auf einen einzigen Tag ins Gefängnis zu schicken, schien mir mit der Tat, die sie begangen hatte, nicht in Einklang zu stehn. Aber das Gesetz zwang mich dazu; ich tat es und atmete