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Das Preßtreiben der letzten Zeit
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Das Preßtreiben der letzten Zeit

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Wegen der nicht wegzuleugnenden Schwierigkeiten in weiter Ferne stand und fast aussichtslos erschien. Inzwischen sind die Beratungen im Staatsrat gerade unter Zuziehung der hervorragendsten Vertreter der Großindustrie erfolgt uud haben zu eiuem selbst den letztern durchaus annehmbareu Ergebnis geführt. Dann fand die Berliner Konferenz zur Regelung der Arbeiterfragen statt, die vor ihrem Zusammentritt wie ein Gebilde der Phantasie erschien, in ihren Ergebnissen aber zu den weitausschauenden und wohlwollenden Plänen des Kaisers die Zu­stimmung Europas brachte. Auf Grund der Beratungen im Staatsrat und in der Konferenz ist eine Vorlage an den Reichstag gelangt und wird dort in eingehendster Weise von den hervorragendsten Vertretern aller Parteien behandelt, sodnß ungeachtet der verschiedensten zu Tage tretenden Anschauungen ein Zustandekommen des Gesetzes zweifellos ist. Diese letzte Aussicht ist wohl der hauptsächlichste Gruud, daß die Großindustrie und das mit ihr in engem Zusammenhange stehende Großkapital alle Mittel versucht und alle Hebel in Be­wegung setzt, während der Vertagung des Reichstages das kaiserliche Werk zum Scheitern zn bringen. Es soll hier nicht bestritten werden, daß zahlreiche Fabrik­herren für ihre Arbeiter Fürsorge getroffen haben, die über das Maß der gesetz­lichen Anforderungen hinausgeht. Um so weniger ist es zu begreifen, daß sie sich gegen das Gute sträuben, das oder weil es vom Thron aus geschieht. Auch ist die Zahl der Arbeiter, die in der mittlern und kleinern Industrie arbeiten und für die ihre Arbeitgeber wegen Beschränktheit der Mittel wenig zu thun imstande sind, die wichtigere, uud sür diese weniger begünstigten Arbeiter zu sorgen ist ein dringendes Bedürfnis. Es mag sein, daß es sich hier vielfach um Fragen Persönlichen Stolzes handelt: der Großindustrielle stand bisher in einem ge­wissermaßen obrigkeitlichen Verhältnis zu seineu Arbeiter». Er war sozusagen ein absoluter Herrscher und soll nun nach konstitutioneller Art seine Gewalt mit einein Arbeiterausschuß teilen. Daß er darüber mißmutig wird, ist be­greiflich; kühu ist aber doch der Anspruch, daß der Staat oder die Regierung auf die persönliche Empfindlichkeit uud Eitelkeit dieser Herreu Rücksicht nehmen soll. Hat doch das bisherige patriarchalische Regiment, auf das die Industrie so stolz ist, das Emporwachsen der Sozialdemokrntie nicht zn hindern gewußt, haben sich doch in den letzten Jahren die Arbeiterausstäude in einer Art ver­größert, daß das Wohl des Staates gefährdet ist, und er nicht länger das Versuchsfeld abgebeu kaun, ans dem die Arbeitgeber und Arbeiter, lediglich von ihren eignen Interessen geleitet, ihre Kräfte messen. Alles das sollten die Herren von der Großindustrie und dem Großkapital bedenken, sie sollten sich auch daran erinnern, was sie dem mächtigen deutschen Reich uud seiner Regierung an Aufschwung, Wohlstand und Reichtum verdanken. Und wenn diese Rücksicht sie nicht zur Mäßigung veranlassen sollte, so müßte es doch ihr eignes wohlverstcmdnes Interesse thun, das nicht mit Wochen und Tagen, sondern mit Jahren und Menschenaltern rechnen' muß. Ohne die