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Die Hauptströmungen in der bildenden Kunst der Gegenwart : 6. Pilotys Schule: Franz Defregger. Matthias Schmid. Alois Gabl.
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werden, und da diese Absicht auf Widerstand stieß, mußte er in das Heimats­dorf zurück und sein Brot durch harte Feldarbeit verdienen. Nach anderthalb Jahren nahm ihn sein Onkel, der zugleich Krämer war, als Ladendiener auf, und nun fand er wenigstens Zeit, sein Talent zn entwickeln. Einige wohlge­lungene Porträtzeichnungen machten ihm Muth, dem Fürstbischof von Brixen, Vincenz Gaffer, der gerade in der Nähe eine Kirche einweihte, seine Wünsche vorzutrageu. Dieser gewährte ihm großmüthig eine jährliche Unterstützung von huudert Gulden, bis er von Innsbruck ein Stipendium erhalten würde, und so machte sich Gabl nach München auf, wo er in die Akademie aufgenommen wurde. Bald erhielt er auch das Stipendium, aber unter derselben Bedingung wie Schmid. Er mußte unter Schraudolphs Leitung kirchliche Bilder malen nud setzte es erst später durch, daß er in das Atelier Arthur v. Rambergs ein­treten durfte. Seine letzte Ausbildung empfing auch er bei Piloty, dessen colo- ristische Vorzüge er sich besser angeeignet hat als Defregger und Schmid.

Sein erstes Bild,Haspiuger, den Aufruhr predigend", ist in unverkenn­barer Anlehnung an Defreggers Speckbacherbild entstanden. In einer niedrigen Dorfschenke steht der leidenschaftliche Pater auf einem Schemel und feuert mit erhobenen Händen, in der Linken das Crucifix, die Bauern zum Kampfe an. Seine Rede hat bereits gewirkt: seine Zuhörer heben begeistert zum Zeichen ihrer Zustimmung Hände und Stutzen empor, und besriedigt blickt Andreas Hvfer, der mit Speckbacher und dem Freiherrn v. Hormayr links an einem Tische sitzt, auf die Kampfeslust seiner Tiroler. Die erregte Scene ist mit größter Lebendigkeit veranschaulicht. Die electrisirende Wirkung, die von dem feurigen Kapuziner ausgeht, spiegelt sich mit erfreulicher Mannigfaltigkeit in den Gesichtern aller Anwesenden, selbst in denen der Frauen, welche gleichfalls mit gespannter Aufmerksamkeit dem Redner lauschen. Die darauf folgende Recrutenaushebung iu Tirol" that in der Charakteristik des Guten zuviel. Wie Defregger, strebt auch Schmid hier nach größtmöglicher Energie und Schärfe, geräth aber dabei in Uebertreibung und Carricatur. Das vermied er glücklich, ohne die Lebendigkeit der Darstellung zn beeinträchtigen, auf demUnterbro­chenen Tanze", der ihn auch als glücklichen Humoristen einführte. Wie der geistliche Herr da plötzlich in die Tanzgesellschaft im Wirthshause hineinplatzt, vermuthlich zur Fastenzeit, von den einen noch unbemerkt, die lustig weiter springen, während andere wie versteinert einhalten, wie ferner das dürre Schul­meisterlein kerzengrade dasteht und die Geige hinter den Rucken zu verbergen sucht, das ist mit unübertrefflichem Humor geschildert. Die Beschränkung welt­licher Freuden durch geistlichen Uebereifer findet hier durch die sieghafte Macht des Humors eine ebenso vernichtende Kritik, wie schwerere Uebergriffe der Geist­lichkeit auf den Bildern Schmids. Nicht so glücklich war Gabl, als er in der