Contribution 
Politische Briefe. II. : Die ersten Reichstagsaktionen.
Page
361
Turn right 90°Turn left 90°
  
  
  
  
  
 
Download single image
 

361

Ueberzeugung werde er jetzt durchführen. Wenn man ihm den Vorwurf des Dilettantismus entgegen schleudere, so erinnere er daran, daß er beim Eintritt in's Ministeramt in' Bezug auf jede politische Befähigung so beur­theilt worden sei, wie jetzt in Bezug auf die wirthschaftspolitische. Der Kanzler schloß mit dem Appell: nicht an die Nachwelt, dieser Anruf sei ihm zu pathetisch, sondern an die Mitbürger. Es ist die Bescheidenheit des berechtigten Selbst­gefühls, welches bei normaler Lebensdauer das Widerstreben der Mitwelt zum zweiten Male zu bekehren und zu beschämen hofft. Doch heischt dieser Ge­dankengang noch eine Ergänzung. Nicht zufällig durch Delbrück's Abgang ist der Reichskanzler zur Beschäftigung mit der Wirthschaftspolitik gekommen, sondern weil das von außen vollendete Werk nunmehr nach innen gesichert werden mußte, und abermals hat nicht Delbrück's Abgang den Zugang zn andern Bahnen der Handelspolitik frei gemacht, sondern die nach Ablauf der Handelsverträge in allen Großstaaten ausschlaggebende Abneigung, diese Ver­träge auf den bisherigen Grundlagen fortzusetzen.

Staatsminister Delbrück antwortete noch einmal. Er suchte zahlenmäßig die Wohlthaten der Handelsverträge nachzuweisen, ohne natürlich abzuleugnen, daß das Ende ihrer Periode der allgemeine wirthschaftliche Nothstand geworden. Da aber dieser Nothstand alle zivilisirten Länder mit den verschiedensten Handelssystemen umfasse, so meinte Redner, könnten nicht die Handelsverträge die Schuld tragen. Hierauf muß man wohl sagen, daß noch weniger eine einzige unbekannte Ursache bei diesen verschiedenen Ländern und Systemen denkbar ist. Es muß wohl ein Zusammentreffen verschiedener Ursachen sein, und unter den letzteren könnten auch die Handelsverträge eine gewisse Stelle einnehmen, nicht vermöge ihres allgemeinen, sondern vermöge ihres besonderen Charakters. Trotz aller Zahlen, die der Redner vorzutragen wußte, kann die ganz unbestimmt von ihm angedeutete Hoffnung auf allgemeine Besserung kein Trost sein, noch viel weniger aber eine Befreiung für die verantwortliche Lei­tung der Handelspolitik von der Pflicht, die Ursachen unseres besonderen Noth­standes zu erkennen und die geeigneten Mittel gegen denselben vorzuschlagen.

Lucian und die Kyniker. Von Jakob Bernays. Mit einer Übersetzung der Schrift Lucian's: Ueber das Ende des Peregrinus. Berlin, W. Hertz, 1879. Das einseitige Interesse, welches die Unfrommen wegen der Verspottung der christlichen Religion an der Lucian'schen Schrift über den bewegten Lebens­lauf des Peregrinus mit boshaftem Behagen genommen hatten, hat den geist­vollen Verfasser der vorliegenden Schrift veranlaßt, die gegen die Kyniker ge­richtete Haupt-Tendenz zu allgemeinerer Anerkennung zn bringen. Zuvörderst gibt er in gedrängter Uebersicht einen sachlichen Ueberblick über den Gang der Lucian'schen Schrift! und zeigt, daß sie in offener Feindseligkeit gegen die kynische Lebensrichtung in ihren damaligen Hauptvertretern Peregrinus und Theageues Front macht. Ersterer wird von dem Epikureer Lueian als ein

Literatur.