Teil eines Werkes 
Bd. 3 (1906)
Entstehung
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641
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Die menschliche Trypanosomenkrankheit und afrikanische Schlafkrankheit. 641

Die bei den Obduktionen gefundene Entzündung der Hirnhäute ließ in Zusammen­hang mit der Anschwellung der Lymphdrüsen an Tuberkulose oder Skrofulöse denken.

Daß die endemischen Volkskrankheiten Malaria und Beriberi als ätiologische Faktoren angesehen wurden, ist naheliegend.

Mit der Entwicklung der Bakteriologie und mikroskopischen Technik trat die Suche nach abnormen Blutbestandteilen, pathogenen Mikroorganismen und Blut­parasiten in den Vordergrund.

Von Carvalho de Figueiredo und Antonio de Azevedo, welche 1891 bei einer Obduktion besondere Bazillen gefunden haben wollten, bis Castellani, welcher an die Stelle des gesuchten bakteriellen Erregers oder Parasiten das krank machende Protozoon setzte, sind die verschiedensten mikroskopischen Funde von den Beobachtern ätiologisch gedeutet worden.

Cagigae und Lepierre entdeckten im Blute eines Kranken einen an den Enden verdickten geißeltragenden Bazillus, ähnlich dem Bac. anthracis, legten Kulturen desselben an und infizierten damit erfolgreich Kaninchen und Meerschweinchen.

Der Bazillus hat der Nachprüfung ebensowenig Stand gehalten, wie der von Broden am Kongo im Blute und in der Oerebrospinalflüssigkeit angetroffene Diplobazillus, welcher auch in der Luft, im Wasser und im Boden Vorkommen sollte.

Da Pneumonien, Pneumokokken-Meningitiden, -Pleuritiden, -Perikarditiden usw. bei der schwarzen Rasse sehr verbreitet sind, und leicht zu einer Allgemeininfektion mit schweren nervösen Erscheinungen führen, so suchte Marchoüx auch die Schlafkrankheit auf das Eindringen des Pneumococcus zurückzuführen. Von dieser Annahme ist nur die Tatsache übriggeblieben, daß die Opfer der Schlafkrankheit leicht von Pneumonie usw. befallen werden. Für diesen Erreger der Negerpneumonie ist die Identität mit dem Diplococcus der kroupösen Pneumonie von Kolle nachgewiesen worden, welcher daneben noch Pneumonien beobachtete, welche vom Influenzabazillus hervorgerufen werden. Letzterer kann selbstverständlich die verschiedensten nervösen Störungen bewirken.

Die Nichtigkeit der bakteriologischen Funde und die langsame Entwicklung des Leidens, sowie die örtliche Abgrenzung seines Vorkommens bewogen Manson auf einen lebenden, nur langsam seine schädigende Wirkung entfaltenden Krankheitserreger in Ge­stalt eines Tieres oder einer Pflanze zu fahnden. Diesen glaubte er in Filaria perstans (vgl. Bd. I S. 168) gefunden zu haben, welche auf ihrer Wanderung mit dem Blut ent­weder in das Gehirn eindringe oder die Ernährung und Funktion der nervösen Central­organe indirekt schädige. Diese Hypothese wurde u. a. durch die Beobachtungen von Wiggins, daß die geographische Verbreitung von Fil. perstans und Schlafkrankheit keineswegs zusammenfällt, und daß bei Schlafkranken sehr oft Fil. perstans vermißt wird, zu Falle gebracht.

Auch andere als pathogen angesproche Schmarotzer, wie Rhabdonema strongy- loides (Le Dantec), Ancylostomum duodenale (Ferguson) und Filaria demar- quayi (Rouget) werden nur gelegentlich bei den Kranken gefunden.

Die mikroskopische Untersuchung des Centralnervensystems der Kranken Mansons führten jedoch Mott zu der wichtigen Entdeckung, daß im Gehirn und Rückenmark, besonders in der Umgebung der Kapillaren eine Ansammlung mononukleärer Leukocyten stattfindet. Mott ver­mutete, daß diese zeitigen Elemente rein mechanisch durch Druck die Krankheit liervorrufen könnten.

Neben dieser Beobachtung Motts haben aus der Zeit vor Castellani nur noch die sorgfältigen Untersuchungen der portugiesischen Kommission zur Erforschung der Schlafkrankheit (Annibal Bettencourt, Ayres Kopke, Gomes de Rezende und Correa Mendes) dauernden Wert behalten.

Diese konnten beim Lebenden und in der Leiche im Centralnervensystem, seinen Hüllen und den in diesen enthaltenen oder es umspülenden Flüssigkeiten fast konstant einen Diplost re ptococcus nachweisen, welcher seinem Aussehen

Mense, Handbuch der Tropenkrankheiten. III. 41